© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Dorn im Auge
Christian Dorn

Medialen Geleitschutz für die chinesische Karl-Marx-Statue in Trier gibt der Tagesspiegel, wo täglich unter der Rubrik „MARX am Morgen“ das im verblaßten Rot gefärbte Konterfei des säkularen Religionsstifters erscheint. Schließlich, so die Zeitung, „feiert die Welt“ am 5. Mai dessen 200. Geburtstag. Da stellt sich fast die Frage: „Was spricht eigentlich gegen den Kommunismus?“ Ist er doch „vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht.“ Wirklichen Widerspruch erfährt das mit Bertolt Brechts Agitprop-Stück „Die Mutter“ (1932) in die Welt getretene „Lob des Kommunismus“ nur an einem klandestinen Ort, der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus in Berlin (www.gedenkbibliothek.de): In der szenischen Lesung von „Bertolt Brecht / Die Mutter 2.0 – Eine Dekonstruktion“ des Regisseurs und Autors Ingo Langner wird die Botschaft der vermeintlichen Menschheitsbefreiung mit deren ermordeten Opfern, den etwa 100 Millionen Toten im „Schwarzbuch des Kommunismus“, konfrontiert.


Derweil korrespondiert Marx’ Diktum, man müsse „diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt“, zur neuen Losung: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Multikulturalismus.“ Kongeniales Bild dieser Globalisierung ist der halb tanzende, halb rennende „Tower of Babel“ von Muriel Gallardo Weinstein im Künstlerhaus Bethanien (bis 6. Mai; www.bethanien.de). Dabei ist mal wieder der Weg das Ziel: In der S-Bahn enerviert ein osteuropäischer Querflötenspieler mit einer Weise zwischen Mittelaltermusik und Schlangenbeschwörung. Ganz harmonisch dagegen der auf einer symbolischen Querflöte spielende Friedrich II. neben dem eigenen Autograph im Triptychon „Gruß aus Danzig“ des Künstlers Moritz Götze (bis 23. Juni; www.galerie-tammen-partner.de). Während dieses Werk der Emaillemalerei 10.000 Euro kostet, ist der augenscheinlich von Freikorps-Kämpfern gefahrene Wagen aus dem mitteldeutschen Bürgerkrieg der frühen 1920er Jahre („Revolution“) bereits für 1.200 Euro zu haben: So preisgünstig gibt es die „Lokomotive der Geschichte“ nie wieder! Daß dem „Preußischen Staatsmaler“ endlich die ihm zustehende Anerkennung zuteil wird, illustriert die kommende Schau im Schadowhaus, nur wenige Schritte vom Brandenburger Tor entfernt (www.schadow-gesellschaft-berlin.de). Dort wird der popkulturelle Historienmaler der deutschen Gegenwart unter bundespolitischer Prominenz Mitte Juni seine neuesten Werke präsentieren.