© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Neue Protestkulturen
Die Botschaft von Hambach
Dieter Stein

Die Erosion der öffentlichen Ordnung ist überall zu spüren. Das jüngste Scheitern der Abschiebung eines abgelehnten schwarzafrikanischen Asylbewerbers in Ellwangen, bei dem die Polizei von rebellierenden Migranten davongejagt wurde, ist aktuellstes Beispiel für die grassierende Unfähigkeit unseres Staates, Recht und Ordnung in elementarer Weise durchzusetzen.

Alles schiebt sich in diesen Tagen übereinander und verdichtet sich zu einem Bild eines Gemeinwesens, dessen Eliten verrückt geworden sind: Bei Milliardenüberschüssen sind wir nicht in der Lage, unsere Armee einsatzfähig und die Infrastruktur in Schuß zu halten, wir sind zu dämlich, einen Hauptstadtflughafen zu bauen, wir gängeln den Mittelstand mit immer absurderen Auflagen, übererfüllen sklavisch bürokratische Richtlinien aus Brüssel, ob beim Feinstaub oder beim Datenschutz, sind aber nicht mehr fähig, unsere Grenzen zu sichern? Was ist mit diesem Land los?

Viele Bürger reagieren mit fatalistischer Apathie auf diesen politischen Irrsinn, ziehen sich ins Private zurück, andere – und das werden glücklicherweise immer mehr – wagen den Sprung zum Protest. Und der wird immer vielfältiger. So beim „Neuen Hambacher Fest“ am vergangenen Wochenende, bei dem sich rund 1.200 patriotisch gesinnte Bürger aus ganz Deutschland unter schwarzrotgoldenen Flaggen, Gesang und politischen Reden versammelten. Beim Treffen in Hambach schlug sich auch die Mobilisierung der vor wenigen Wochen von der DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld initiierten „Erklärung 2018“ nieder, die inzwischen über 150.000 Bürger unterzeichnet haben.

Neben dem Siegeszug der AfD, die zum parlamentarischen Indikator des wachsenden Unmutes wird, reüssiert 50 Jahre nach 1968 auch eine Art „APO von rechts“, zu der die ideologisch schillernden „Identitären“ zählen, in deren Reihen einige Ex-Aktivisten der rechtsextremen Szene tätig sind, die aber strikt gewaltfrei immer wieder durch verblüffende „Sponti“-Aktionen Aufmerksamkeit gewinnen – ob durch das Besetzen des Brandenburger Tores oder das Chartern eines Schiffes im Mittelmeer im vergangenen Sommer, um über Helfershelfer der Asyl-Schlepperbanden aufzuklären.

Je weniger die Institutionen Energie aufbringen, die Autorität des Staates gegenüber Kriminalität im Inneren durchzusetzen, den Verfall der Ordnung im allgemeinen zu stoppen und das Staatsgebiet an seinen Grenzen zu sichern, um so höher ist der „zivilgesellschaftlich“ betriebene Aufwand, Andersdenkende und Oppositionelle zu gängeln, zu diskriminieren, sozial zu ächten. Um so lauter das Lied der „Buntheit“ und „Toleranz“ gesungen wird, um so obsessiver wird der gesellschaftliche Druck, politischen Konformismus zu erzwingen. Doch dagegen wächst nun der Widerstand.