© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

Aufgeschnappt
Kunst und Konventionen
Matthias Bäkermann

Kunst muß auch provozieren. Wo, wenn nicht in der „documenta“-Stadt Kassel sollte diese Maxime auf Verständnis stoßen. Das dachte sich auch Frank Draude, seit Jahren als Schöpfer von Metallskulpturen in der Stadt zu Füßen des Herkules tätig. Und da ihm der am 22. April in Kassel begangene „Tag der Erde“ mitsamt seinem ökologisch-multikulturellen Eiapopeia allzu hausbacken erschien, wollte er das dort von den Veranstaltern ausgerufene Fleischverbot „in Frage stellen“. Vor seiner Werkstatt an der Gottschalkstraße inmitten des prinzipienstrengen Getümmels mit Vegankost und afrikanischem Trommeln brutzelte der 56jährige Aktionskünstler deshalb unter Bruch aller Konventionen ein Wildschwein am Drehspieß – immerhin ein regionales Produkt und 100 Prozent Bio, wie Draude augenzwinkernd explizierte.

Tatsächlich traf seine Provokation auf blankliegende Nerven. Wie die Hessische Niedersächsische Allgemeine vergangenen Samstag meldete, pöbelten bereits auf dem Fest Tierschützer und Ausrichter vor Draudes Grillstand herum. Seitdem sei gegen ihn eine „Hetzjagd“ im Gange. In der Nachbarschaft seien Handzettel verteilt worden, die ihn als „Nazi“ und „bekennenden Reichsbürger“ bezichtigen. Viele Kasseler grüßen seitdem den Künstler nicht mehr.