© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/18 / 11. Mai 2018

„Von Metternich zu Merkel“
Neues Hambacher Fest: Hunderte lassen ihrer Liebe zu Nation und Freiheit freien Lauf
Christian Dorn

Auch zum 200. Geburtstag von Karl Marx, dessen monströse Skulptur an diesem Tag in Trier enthüllt wird, wiederholt sich die Geschichte als Farce – oder tut sie es gerade nicht? Bietet doch das zeitgleich von dem Ökonomen Max Otte ausgerichtete Neue Hambacher Fest zahlreiche Analogien zur damaligen Situation, etwa mit der „Demagogenverfolgung“, die nach dem Fest 1832 nochmals verschärft wurde, oder mit dem Bekenntnis zur „Wiedergeburt Deutschlands“, die angesichts der „alternativlosen“ Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel nötiger ist denn je. 

Erstaunliche Parallelen zum Fest im Jahr 1832 

Als Parallele erscheinen auch die Einlassungen des Politologen Herfried Münkler, der zunehmend als Hofhistoriker der Potentatin im Kanzleramt agiert und der das Fest auf dem Hambacher Schloß am vergangenen Samstag im Mannheimer Morgen vorab als einen Akt der Eskalation tituliert hatte – damit an die Regierungsobrigkeit erinnernd, die seinerzeit von einem „Exzeß“ sprach, oder an Fürst Metternich, der das Fest als „Hambacher Skandal“ bezeichnet hatte. 

Entsprechend aufgehetzt postierte sich ein klägliches Häuflein „antifaschistischer“ Kräfte am Parkplatz unterhalb der Schloßruine, abgeschirmt von der aus Niedersachsen angereisten Polizei, um gegen die Patriotenwanderung zu protestieren, die den offiziellen Freiheitspfad hinauf zum Schloß führt, angeleitet von Max Otte, der zu Beginn auf der Gitarre „Der deutsche Mai“, das Lied zum Hambacher Fest 1832, angestimmt hatte: „Hinauf Patrioten! Zum Schloß, zum Schloß! / Hoch Flattern die deutschen Farben: / Es keimet die Saat und die Hoffnung ist groß, / Schon binden im Geiste wir Garben: / Es reifet die Aehre mit goldnem Rand, / Und die goldne Ernt’ ist das – Vaterland.“ 

Kläglich aus nahm sich da auch der Versuch eines Bauern, der Gülle auf den Weg gekippt hatte und die Teilnehmer naßspritzen wollte – von oben schien die strahlende Sonne nur über diesen ideologischen Mummenschanz zu lachen, sie segnete auf ihre Weise diesen Tag des patriotischen Bekenntnisses. Dabei, so Ottes Eröffnungsrede, stünden die 1.200 Besucher auf dem Schloß für die Millionen Menschen im Lande. Denn wir seien „hier, um zu zeigen, daß wir mehr sind, als es uns die veröffentlichte Meinung weismachen will“.

 Entsprechend heiter und selbstgewiß erscholl das Gelächter im Saal, als Otte warnende Stimmen zitierte, denen zufolge hier versucht werde, das Hambacher Fest national umzudeuten. Von erstaunlicher Aktualität wirkten auch die von Otte und Vera Lengsfeld vorgetragenen Passagen aus der Hambacher Festrede von Philipp Jakob Siebenpfeiffer 1832, die ebenfalls Gelächter auslösten: „Wir helfen Griechenland (...), wir trinken auf Polens Wiedererstehung, (...) wir  blicken ängstlich nach der Reformbill Englands, (...) wir beneiden den Nordamerikaner um sein glückliches Los, das er sich mutvoll erschaffen: aber knechtisch beugen wir den Nacken unter das Joch der eigenen Dränger“. 

Die hochkarätigen Reden, jede ein neuer Höhepunkt, der mit jeweils stehenden Ovationen bedacht wird, eröffnet – so Veranstalter Otte – mit Thilo Sarrazin „der Mann, der das alles gestartet hat“. Gemeint ist dessen Opus „Deutschland schafft sich ab“ – die marxsche Dialektik läßt auch hier grüßen. 

Sarrazin warnte in seinem gewohnt nüchtern wie lakonischen Vortrag vor falschen Analogien: So sei die freie Presse damals links gewesen, und die Ländergrenzen von einer ganz anderen Funktion als heute. In seinem Plädoyer für den ethnischen, kulturellen und religiösen Bestand Deutschlands verwies er – um dem erpresserischen moralischen Diskurs zu begegnen – auf die Tatsache, daß Deutschlands Wohlstand auf seinen Wissenschaften und seinen industriellen Leistungen beruhe, mitnichten auf Kosten Afrikas oder der Dritten Welt erbracht worden sei, und fügte an: „Wenn Europa scheitert, dann an der Einwanderungspolitik.“ Mit Blick auf den fortgesetzten Rechtsbruch der EU (Maastricht-Vertrag) verlangte er, Großbritannien zurück in die EU zu holen und stattdessen die Griechen auszuschließen. 

Indes hinterließ der aus dem Libanon stammende Filmemacher Imad Karim, sich selbst als „erarbeiteter Staatsbürger“ vorstellend, durch seinen berührenden autobiographischen Vortrag den stärksten Eindruck. 1977, mit 19 Jahren, „nicht als Flüchtling“ in seine neue Heimat Deutschland gekommen, sondern als Student, habe ihn die „masochistische Fixiertheit“ der deutschen Kommilitonen auf die NS-Zeit erschreckt, die „Deutschland haßten“ oder ablehnend gegenüberstanden. Damals besuchte Karim im Reichstag die Dauerausstellung „Deutsche Geschichte“, die ihn auch mit dem Hambacher Fest bekannt machte. Dieses historische Ereignis faszinierte ihn derart, daß er bereits 1979 das Hambacher Schloß besuchte. Denn „in Deutschland lernte ich den Duft der Freiheit kennen, den ich nie mehr missen möchte“. Und fügte an: „Können Sie sich vorstellen, was es für ein starker emotionaler Moment für mich ist, hier und heute stehen zu dürfen?“

„Deutschland ist nicht großzügig, sondern dumm“

In diesem Augenblick bleibt wohl kein Herz der Anwesenden ungerührt. Seine „Verschmelzung“ mit Deutschland begründet Karim mit einem arabischen vorislamischen Sprichwort, das besagt: „Wer bei einem Volke 40 Tage weilt, wird einer von ihnen oder er wandert weiter.“ 

Als „aufgeklärter Patriot“ beeindruckte auch Joachim Starbatty, Volkswirtschaftler, Europaparlamentarier und Euro-Kläger der ersten Stunde, durch seine freie Rede. Deutschland sei nicht großzügig, sondern dumm. So sehe Günther Oettinger die deutschen Interessen gewahrt, „wenn es seine Taschen öffnet – das sind unsere Kommissare!“ Die künstliche Aufrechterhaltung der Währungsunion koste, so die jüngste Studie von Flossbach von Storch, allein die Sparer durch die Nullzinspolitik 487 Milliarden Euro. Draghi müsse weg, „bevor er uns alle enteignet.“ Schuld trage aber die Bundesregierung, „die hinter ihm steht“. Schließlich habe sie Axel Weber nicht gewollt. Unter dem Publikum ist auch ein gutes Dutzend Bundestagsabgeordneter der AfD, darunter Kay Gottschalk, der gegenüber der JF eine Analogie zu damals erkennt, erinnere doch das Brüssel der EU an den Absolutismus der Fürstentümer. Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, brachte es auf die Formel „Von Metternich zu Merkel.“ 

Zur Feier der Freiheit, „die uns peu à peu“ entzogen wird, spricht auch die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Mit der schlichten, aus nur zwei Sätzen bestehenden „Erklärung 2018“ sei offenbar eine Wunde getroffen worden – nur so erklärten sich die wütenden Reaktionen. Es sei bezeichnend, wenn das Eintreten für die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit als „rechts oder rechtsextrem“ diffamiert wird. Ihre furiose Rede über die bedrohte Meinungsfreiheit und die entstehende „Gesinnungsdiktatur“, in der durch die Wissenschaftlerin Julia Ebner und die von ihr geleitete Online Civil Courage Initiative ein neuer IM-Mechanismus ins Werk gesetzt wird, hat Lengsfeld parallel zu ihrem Vortrag ins Netz gestellt, wo auch ihre eigene Nachbetrachtung des Tages zu lesen ist (www.vera-lengsfeld.de) – anders als die „erzieherische Maßnahme“ Lengsfelds, die Otte hernach zum besten gibt: So habe Lengsfeld jüngst bei einer Demonstration in Köln, als sie ein „junger Antifant“ unflätig beleidigt habe, diesen gebeten, die Worte noch einmal zu wiederholen, was dieser tat. Daraufhin versetzte Lengsfeld dem Burschen, ehe der sich versah, eine Ohrfeige – was hier, durch den Beifall im Saal, sogleich legitimiert wird. 

Das Bürgertum muß lernen, Revolution zu machen 

Geradezu mitreißend gerät der Vortrag des Finanzexperten und Buchautors („Der Draghi-Crash“) Markus Krall, der die Freiheit heute „im Belagerungszustand“ sieht. Der Manipulationszins der EZB verschiebe die Stunde der Wahrheit. Die unausweichliche monetäre Krise werde wie 1929 das Ende bedeuten, diesmal das des Euro, und drohe die anderen europäischen Institutionen in den Abgrund zu reißen. Er mahnte, Liberalität nicht mit Libertinage zu verwechseln. Das Bürgertum müsse lernen, wie man Revolution mache. In Abwandlung des Luther-Wortes vom Christenmenschen müsse der Bürger wie folgt auftreten: „Hier stehe ich – und ich kann noch ganz anders.“ Als Krall zaghaft „Die Gedanken sind frei“ anstimmt, erhebt sich der ganze Saal und singt mit. Dabei, so denkt der Betrachter, fehlt spätestens hier die explizite Würdigung des erkrankten Historikers Arnulf Baring, der bereits im Jahr 2002 die „Bürger auf die Barrikaden“ gerufen und den Mut hatte, der politischen Klasse den Kampf anzusagen. AfD-Chef Jörg Meuthen schließlich gibt sich überzeugt: „Diese Veranstaltung wird nachwirken.“ Die sich hier versammelt haben, seien „Mut- und keine Wutbürger.“ Er schloß: „Wenn wir unsere Heimat erhalten wollen, brauchen wir kein ‘Heimatmuseum’“, womit er auf den Freudschen Versprecher Seehofers anspielte. 





Hambacher Fest 1832

Vom 27. Mai bis zum 1. Juni 1832 fand auf dem Burgberg des kleinen Winzerdorfs Hambach an der pfälzischen Weinstraße das Hambacher Fest statt. Es gilt als Höhepunkt der nationalen Einheits- und Freiheitsbewegung zwischen 1813 und 1848. Der 27. Mai 1832 war ein sonniger Pfingstsonntag, an dem sich rund 20.000 Menschen trotz der bestehenden Zensur kamen. Obwohl es als Fest mit Weinausschank und Tanz gedacht war, wurde es zur politischen Demonstration eines „leidenschaftlichen Verlangens nach Freiheit und Einheit des deutschen Volkes in einem deutschen Nationalstaat“ (Günther Gillessen). Als Folge des Festes, bei dem es auch Protest über die hohen Steuern und die Vielzahl an Zollschranken gab, erließ der Deutsche Bund mit den Sechs Artikeln vom 28. Juni 1832 neue „Maßregeln“ und bildete eine neue Überwachungskommission. Diejenigen Anführer, die nicht rechtzeitig in die Schweiz geflohen waren, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. 

Foto: Unter strahlend blauem Himmel versammelt sich die patriotische Gemeinde Deutschlands im Hambacher Schloß /  Organisator Max Otte und Redner Thilo Sarrazin (r.; kleines Foto): „Es keimet die Saat und die Hoffnung ist groß“