© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

„Besser als in Schönheit sterben“
Interview: Nicht nur Fördermittel, sondern vor allem Bürokratieabbau würde Investitionen im ländlichen Raum erleichtern, meint der AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning
Christian Vollradt

Probleme des ländlichen Raumes dürften Ihnen aus dem Wahlkreis vertraut sein. Wo drückt dort konkret aus Ihrer Erfahrung der Schuh am meisten?

Komning: Das größte Problem ist ganz klar die immer noch starke Abwanderungsbewegung junger Menschen in die Städte. Kein Wunder, denn der Staat indes tut alles, um die Lage noch zu verschlimmern. So wird es zukünftig keine direkte Zugverbindung von Usedom nach Stralsund oder Greifswald mehr geben und das, wo doch Usedom ohnehin schon am Autoverkehr zu ersticken droht. Der eigentlich geplante Ausbau der Bundesstraße 96 nach Neubrandenburg stockt auch seit Jahren und führt zu einem täglichen Verkehrschaos. Und beim Ausbau des schnellen Internets wird Vorpommern-Greifswald inzwischen auf das Jahr 2019 vertröstet. Wie aber sollen sich moderne Firmen und damit junge Menschen in einer Stadt wie Torgelow ansiedeln, wenn es dort auf absehbare Zeit nicht einmal möglich ist, eine Videokonferenz abzuhalten? 

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD ein „neues gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen“ zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse versprochen. Bis Mitte 2019 sollen Vorschläge erarbeitet werden. Wird nun alles gut oder läßt die Bundesregierung wertvolle Zeit verstreichen?

Komning: Wieso kommt das jetzt erst? Die Probleme liegen ja schon lange auf dem Tisch, und diese Regierung arbeitet ja auch schon geraume Zeit zusammen. Für die ländlichen Räume hat die Groko nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse übrig. Ich habe in der letzten Plenarwoche den Herrn Bundeswirtschaftsminister genau nach dieser Regierungskommission gefragt. Viel mehr als eine Absichtserklärung, diese Kommission gründen zu wollen, kam von ihm nicht. Um ihn auf Trab zu bringen, bereite ich zur Zeit eine kleine Anfrage zu dieser Kommission vor. Ich möchte genau wissen, welche Mitglieder dort vertreten sind, welche Arbeitsaufträge und welche Zeithorizonte für das Erarbeiten von Lösungen bestehen.

Städtebau-, Wohnraum-, Breitbandförderung, EU-Mittel, GRW, GAK, BULE ... Ganz ehrlich: Steigen wenigstens die Abgeordneten noch durch diesen Programm-Wirrwarr durch?

Komning: Auch mir fällt es schwer, zu glauben, daß da jemand noch durchsteigt. Ich jedenfalls habe so meine Probleme. Ich glaube, das ist einer der Gründe, daß da keiner so richtig an dieses Thema ran will. Diese Unübersichtlichkeit ist natürlich auch für diejenigen ganz angenehm, die auf den Fördertöpfen sitzen und über die Mittelvergabe befinden.

Sie haben in einer Rede im Bundestag einmal die Verteilung von Fördermitteln nach dem Gießkannenprinzip kritisiert. Wie müßte Ihrer Meinung nach eine effektive Förderung des ländlichen Raumes aussehen?

Komning: Hinter dem ganzen Fördersystem steht kein Masterplan. Irgendjemand in Brüssel, Berlin oder Schwerin denkt sich ein förderwürdiges Ziel aus, besorgt Gelder und verteilt sie dann auf Antrag. Fördertöpfe sind da nur die eine Seite der Medaille, obwohl man auch hier natürlich einiges an Flurbereinigung in Angriff nehmen könnte. Wir müssen aber gerade auch über andere Mittel nachdenken: Bürokratische Hürden, die viel Geld kosten, müssen endlich beseitigt werden. Damit meine ich neben dem Baurecht auch so heilige Kühe wie den Denkmalschutz. Es bringt gar nichts, wenn Ortskerne in Schönheit sterben, weil eine moderne Nutzung nicht möglich ist. Und wir müssen über speziell angepaßte rechtliche Rahmenbedingungen nachdenken. Nicht nur – aber auch – ein angepaßtes Steuerrecht, Arbeitsrecht oder Gewerberecht. Wir müssen endlich mit den Denkverboten aufhören. Das altbekannte Motto – das haben wir noch nie so gemacht, da könnte ja jeder kommen – hat ausgedient.






Enrico Komning, Jg. 1968, ist AfD-Bundestagsabgeordneter (Mecklenburgische Seenplatte/Vorpommern-Greifswald) und sitzt im Ausschuß für Wirtschaft und Energie. Zuvor war der Rechtsanwalt Mitglied des Landtags in Schwerin.

 www.enrico-komning.de

 

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