Die Koffer sind gepackt und stehen im Flur, die Prunkschläger stecken in den Scheiden und den Stoffhüllen für den Transport. Die bestickte Fahne lehnt sorgsam zusammengerollt an der Wand. Das ist das Bild, das den Gast des Hauses der Landsmannschaft Mecklenburgia im vornehmen Hamburger Stadtteil Winterhude im Flur empfängt. Bald geht es zum 150. Pfingstkongreß nach Coburg. Hanno Borchert, ein junggebliebener Mittfünfziger, führt den Besucher durch die Bar im Souterrain der Villa in den Garten. An einem Teaktisch am Alsterkanal sitzen Männer zwischen 18 und Ende 50 in Polohemden, das Couleurband schräg über der Brust. Auch einige junge Frauen sind dabei. Beim Händeschütteln erheben sich die Männer und stellen sich jeweils mit Namen vor.

Die Aktivitas ist heute   überwiegend christlich

Höflichkeit und Manieren, darauf wird Wert gelegt. Jasper Juckel, Vorsitzender der Altherrenvereinigung der Mecklenburgia, bietet an, für ein Gespräch nach innen zu gehen und durch die Jugendstilvilla zu führen. Kein Raum ist tabu. „Wir machen hier nichts, wofür wir uns schämen müssen“, erklärt der mit Hemd, Sakko, Krawattenschal und dem grün-weiß-roten Band gekleidete „Alte Herr“. Er ist in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts „aktiv“ geworden, also in die Studentenverbindung eingetreten. Das Vokabular haben alle Verbindungen gemeinsam. Wenn sie sich sonst unterscheiden in pflichtschlagend, also die Mensur für ihre Mitglieder verpflichtend vorschreibend, fakultativ schlagend oder nichtschlagend, farbentragend oder nichtfarbentragend, konfessionell oder sportlich – gemeinsam ist ihnen allen das Lebensbundprinzip und die gelebte Demokratie. Die Alten Herren bieten auf den oft feudalen Verbindungshäusern günstigen Wohnraum an, die jungen Bundesbrüder tragen die Traditionen weiter. Jung und Alt im Lebensbund. Das ist der Markenkern, ein Leben lang.

Auf die Frage, ob man von einer Renaissance der Verbindungen und einem geänderten Klima in der Gesellschaft sprechen könne, stimmt Juckel zu. „Man spürt ein neues Interesse an Korporationen, gerade konservativen. Wir sind immer schon eher konservativ gewesen und machen keine Kompromisse an den Zeitgeist. Wer den Zeitgeist heiratet, ist bald Witwer.“ Auch liberalere Verbindungen haben neuen Zulauf. Aber was viele junge Männer gerade neuerdings verstärkt suchten, sei neben Spaß und Freundschaft eben auch Heimat, die eigenen Wurzeln und die positive Identifikation damit.

Das Konzept der Mecklenburgia scheint aufzugehen. Die Hamburger Verbindung hat nach schwierigen Zwischenjahren heute wieder zwölf Aktive. Unter Aktiven verstehen die Verbindungen die studierenden Mitglieder. Man kann sie durch das Fenster im Garten beobachten, im angeregten Gespräch, scherzend. Juckel betont: „Konservativ sein heißt neugierig und offen zu sein.“ Das spiegelt sich in den Semesterprogrammen der Mecklenburgia der letzten Jahre: Neben den verbindungstypischen Kneipen, Theaterbesuchen und Weinverkostungen gelang es der Verbindung, hochkarätige Referenten „auf das Haus“ zu bekommen, darunter den Erfolgsautor Heimo Schwilk, den Journalisten Matthias Matussek oder den Schriftsteller Ulrich Schacht. „Alle blieben jeweils bis tief in die Nacht, weil den Leuten die Atmosphäre hier zusagt. Es herrscht das freie Wort, das ist ja nicht mehr selbstverständlich“, so der Altherrenvorsitzende.

Konrad Kolmar stimmt zu. Er ist der Erstchargierte, der Leiter der Aktiven. Er widerspricht allen Klischees, die es über Verbindungsstudenten gibt. Auf einem Internat bei Paderborn hat er seinen Hauptschulabschluß gemacht, eine Friseurlehre abgeschlossen und noch seinen Meister draufgesetzt. Heute arbeitet er, studiert Sozialökonomie und führt mit seinen 26 Jahren nebenher die Geschäfte der Verbindung. Und schwärmt: „Wir schauen über den Tellerrand. Hier kann ich Gespräche führen, die man sonst kaum mehr führt. Gedanken, die ich lange mit mir herumgetragen habe, hier konnte ich sie äußern.“ Was denn zum Beispiel? „Es fängt schon mit der Religion an. Wenn du katholisch bist und gläubig und den Glauben ernst nimmst, bist du heute ja allenthalben schon reaktionär.“ Überrascht stellen er und der Fux (Neumitglied) Sebastian Wohlgemut fest, daß der überwiegende Teil der Aktivitas der Mecklenburgia heute bekennend christlich ist. Wohlgemut, der einen Bachelor in Sozialwissenschaften in Osnabrück gemacht hat und vier Jahre bei der Bundeswehr war, erzählt, daß ihm, bevor er zur Mecklenburgia kam,vor allem die Möglichkeit zu freien politischen Gesprächen fehlte. „Was früher politische Mitte war, gilt heute vielen als rechtsextrem. Wenn ich früher in meinem privaten Umfeld Stellung bezog, Homo-Ehe oder Abtreibung, wurde das meistens mit Ausgrenzung quittiert.“ Juckel ergänzt: „Hier gibt es die Verachtung des Eigenen nicht. Gleichzeitig achten wir die Meinung des anderen.“

Es sei die Herausforderung, den Spagat zwischen typisch jugendlichem Spaß und Überschwang, der hanseatischen Zurückhaltung und dem preußischen Geist zu schaffen, schaltet sich Robert Schmidt, studierter Betriebswirt, in das Gespräch ein. „Junge Menschen suchen das Unverfälschte, den Markenkern. Ob es ums Fechten, um den Comment oder um die Freundschaft geht. Das bieten wir hier.“

Ehre, Freiheit, Freundschaft gelten wieder etwas

Mit Erfolg. Auch Frank Klauss, der Pressesprecher des Coburger Convents, bestätigt gegenüber der JF, daß in den letzten Jahren die Mitgliedszahlen aller Verbindungen gestiegen sind. Der Coburger Convent (CC) ist der Dachverband der pflichtschlagenden Landsmannschaften und Turnerschaften an deutschen Hochschulen, also auch der Mecklenburgia. Jedes Jahr zu Pfingsten treffen sich die Mitglieder des CC in der fränkischen Stadt Coburg. In diesem Jahr wird es ein besonderer Kongreß werden. Die 104 Verbindungen aus Deutschland und Österreich feiern das 150jährige Bestehen des Dachverbands, der 1868 von fünf Landsmannschaften in Kassel gegründet wurde. Damit folgten die Landsmannschafter den Corps des Kösener Senioren-Convents-Verbandes. 1872 wurde Coburg als Tagungsort festgesetzt.

Die steigenden Mitgliedszahlen der Verbindungen zeigen: Der Geist steht nicht zwangsläufig links. Alle Verbände sind sich darin einig, daß junge Menschen wieder vermehrt nach Werten wie Ehre, Freiheit, Freundschaft und Vaterland fragen. Werte, die lange Jahre verpönt waren. Möglicherweise ist das der Grund der Hysterie in der veröffentlichten Meinung. Oder wie es Jasper Juckel am Ende des Abends sagt: „Die Welt verändert sich, die Menschen wollen mehr von ihrer Freiheit Gebrauch machen – aber das Juste milieu nimmt es nicht zu Kenntnis.“

Von Füxen und Fechten: Burschenlatein

Aktiver: 

Studierendes Mitglied einer Studentenverbindung. Zur Aktivitas zählen Füxe und Burschen.

Alter Herr: 

Mitglied einer Studentenverbindung nach Abschluß des Studiums.

Bursche:

Vollberechtigtes Mitglied einer Verbindung im Gegensatz zum Fux.

Charge, Chargierter, Chargieren:

Die Charge (frz.: Bürde eines Amtes) ist ein „Vorstandsamt“ in einer Verbindung. Der Amtsinhaber einer Charge wird als Chargierter bezeichnet.

Convent:

Beratendes und beschlußfassendes Organ einer Verbindung als Ausdruck des demokratischen Prinzips.

Couleur:

Die Farben einer Verbindung, die als äußeres Zeichen der Verbindung von ihren Mitgliedern getragen werden. Bestandteile sind Band, Zipfel, Mütze und ggfs. Verbandsnadel.

In der Regel bedeutet Vollcouleur Anzug und Couleur, Halbcouleur nur Band und ggfs. Zipfel ohne Anzug und ohne Mütze.

Fechten: 

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich parallel zum Duell die Schlägermensur als „ritterliches Kampfspiel“. Während das Duell nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr praktiziert wird, wurde die Mensur weiter formalisiert und zur Bestimmungsmensur entwickelt. Diese dient nicht wie das Duell zur Beilegung von Streitigkeiten, sondern zur Stärkung von Fairneß, Selbstbewußtsein und Selbstbeherrschung, wobei gleichwertige Partner miteinander fechten. „Gewinner“ gibt es bei der Bestimmungsmensur nicht.

Fux: 

Neues Mitglied einer Verbindung

Hohe Dame: 

Die Bezeichnung des Pendants zu den Alten Herren bei den Damen- oder gemischten Verbindungen, d. h. nicht mehr aktive Mitglieder der Damenverbindung oder einer gemischten Verbindung.

Lebensbundprinzip:

Das grundlegende Prinzip aller Verbindungen, quasi das Prinzip, das eine Verbindung von normalen Vereinen unterscheidet.

Mensur:

Heute ist es die Bezeichnung für das studentische Fechten. Eigentlich beschrieb der Begriff den Abstand zweier Fechter.

Schläger:

Studentische Hiebfechtwaffe, die aber auch bei nichtschlagenden Verbindungen zur Repräsentation Teil des Vollwichses ist.

Wichs, Chargenwichs:

(abgeleitet von Wichse als Lederputzmittel) Besonderes studentisches Festgewand, das von den Chargierten bei besonderen Anlässen getragen wird. Der Vollwichs entwickelte sich aus der um 1800 üblichen Kleidung der Burschen.

Coburger Convent

Wahlspruch: Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland.

 coburger-convent.de

Kösener Senioren-Convents-Verband

 www.die-corps.de

Weinheimer Senioren-Convent

 www.die-corps.de

Akademischer Turnerbund

Spruch:  Mens sana in corpore sano

 http://www.atb.net

Allgemeine Deutsche Burschenschaft

Wahlspruch: Ehre, Freiheit, Vaterland

 allgemeine-burschenschaft.de

Deutsche Burschenschaft

Wahlspruch: Ehre, Freiheit, Vaterland

 www.burschenschaft.de

Deutsche Sängerschaft

 deutsche-saengerschaft.de

Neue Deutsche Burschenschaft

Wahlspruch:  Freiheit – Ehre – Vaterland!

 www.neuedb.de

Wernigeroder Jagdkorporationen Senioren-Convent

 wjsc.de

Deutsche Gildenschaft

 deutsche-gildenschaft.de

Korporationsverband an Deutschen Hochschulen

Wahlspruch: Ehre, Treue, Freiheit, Freundschaft, Vaterland, Wissenschaft, Pflichtbewußtsein

 www.bdic.de

Verband der Vereine Deutscher Studenten

Wahlspruch:  Mit Gott für Volk und Vaterland 

 vvdst.org

Cartellverband katholischer deutscher Studentenverbindungen

Wahlspruch:  In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas! 

 www.cartellverband.de

Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine

Wahlspruch:  Religio, Scientia, Amicitia 

 www.kartellverband.de

Unitasverband

Wahlspruch:  Virtus, Scientia, Amicitia  

 www.unitas.org

Wingolfsbund

Wahlspruch:  Di henòs pánta! 

 wingolfsplattform.org

Sondershäuser Verband

Wahlspruch:  Lied, Freundschaft, Vaterland 

 svhp2010.sondershaeuser-verband.de