© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Bundesfinanzhof stellt die hohen Nachzahlungszinsen in Frage
Kein Grund zum Jubeln
Jörg Fischer

Sieben Jahre Rot-Grün und die nachfolgenden Merkel-Kabinette sowie die diversen Rettungsmaßnahmen anläßlich der Weltfinanz- und der Eurokrise haben die deutsche Staatsverschuldung von 59,4 Prozent (1998) auf 80,9 Prozent (2010) des Bruttoinlandsprodukts klettern lassen. Damals wurde erstmals die Zwei-Billionen-Euro-Marke durchbrochen.

Seit drei Jahren sinkt der Schuldenstand, derzeit sind es „nur“ noch 1,96 Billionen Euro. Ein Grund dafür ist die Nullzinspolitk der EZB: Der Fiskus muß bei der Umschuldung kaum Zinsen zahlen und kann so mehr ausgeben oder Schulden tilgen. Ähnliches gilt für Firmen, Häuslebauer oder Autokäufer. Der Nachteil: Sparer erleiden Verluste, denn die Inflationsrate ist höher als die Guthabenzinsen oder die Dividendenrendite vieler Aktien. Ansichts dessen hält der Bundesfinanzhof (BFH) jene 0,5 Prozent Zinsen pro Monat (sechs Prozent pro Jahr), die die deutschen Finanzämter seit 1961 bei Steuernachzahlungen erheben, nun für „realitätsfern und unbegründet“. Das oberste Finanzgericht zweifelt also die Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen an. Das Bundesverfassungsgericht soll nun einen Grundsatzentscheid fällen.

Nun zu jubeln wäre aber falsch. Erstens: Wer Steuerrückzahlungen erhält, bekommt bislang vier Prozent Zinsen – dies dürfte künftig obsolet sein. Zweitens: Steuernachzahlungen brachten dem Fiskus laut BFH in den letzten Jahren über zwei Milliarden Euro an Zinsen ein – darauf werden die Finanzminister nicht verzichten. Die Milliarden für den EU-Etat, die Integration oder den Klimaschutz sind für die politische Mehrheit alternativlos. Drittens: Was bei den Zinsen nicht mehr zu holen ist, wird dann einfach über indirekte Steuern (Energie, Mehrwert, Verkehr & Co.) oder bei denen abkassiert, die sich keine teuren Steueranwälte leisten können.

Urteil des Bundesfinanzhofes zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen (Az. IX B 21/18):  bundesfinanzhof.de/entscheidungen