© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/18 / 18. Mai 2018

Der Flaneur
Katholisch aus Kalkül
Gil Barkei

Saubere breite Gehwege mit vielen Bäumen führen an frisch renovierten Gründerzeitvillen mit weitläufigen Gärten entlang. Dazwischen stehen einige mit Fassadenschmuck verzierte Altbauten mit großen Balkons auf der Beletage. „Hier ist es“, ruft meine Frau, und läuft unter einem Torbogen hindurch auf die schwere Eingangstür zu. In den großen holzvertäfelten Räumen wuseln zahlreiche Kinder in kleinen dunklen Anzügen und pastellfarbenen Kleidchen zwischen den eingedeckten Tafeln umher. Unter der Decke schwebt ein Meer aus roten Luftballons, aus dem zwei Kronleuchter hervorstechen.

Die Suche nach geeigneten Kindergärten und Schulen war leider sehr ernüchternd.

Vor einem großen Fenster steht das Brautpaar, das bereits am Morgen nur im engsten Familienkreis standesamtlich geheiratet hat und nun die Freunde zu einem kleinen Fest lädt. Mit unserem Geschenk in der Hand kämpfen wir uns zu ihnen durch, und da wir die letzten in der Schlange beim Glückwunschzeremoniell sind, haben wir ein wenig Zeit zu plaudern.

Auf die Frage, ob noch eine kirchliche Trauung folgt, schaut sich das Paar gegenseitig zögernd an. „Ist geplant. Wir überlegen nur noch ...“, fängt die Braut verhalten an zu erzählen, „... ich bin evangelisch, aber mein Mann ist Atheist.“ Das würde trotzdem gehen, antworte ich. „Ja, aber wir sind noch unentschlossen wegen der Konfession. Mein Mann überlegt, sich katholisch taufen zu lassen.“

„Und das Kind dementsprechend auch“, hakt sich der Bräutigam ein und guckt mit stolzem Blick auf das Neugeborene in der Liege neben dem Gabentisch und fährt mit sich ernst gewandeltem Gesichtsausdruck fort: „Wir schauen uns schon seit der Schwangerschaft nach geeigneten Kindergärten und Schulen um.“ Die Ergebnisse könne man nur als ernüchternd zusammenfassen. „Wir sind unter anderem auch deshalb in die Gegend gezogen, weil es hier eine gute katholische Schule gibt. Doch da ist es natürlich hilfreich, wenn die Kinder katholisch sind.“