© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Gottfried Curio ist zum heimlichen Star der AfD-Fraktion im Bundestag geworden
Der Rhetor
Paul Rosen

Schnellen Schrittes begibt sich der Mann in die Mitte des Plenums zum Rednerpult. Die Haare sind kurz, der Gang ist gerade, das Sakko dunkel, die Hose auch. Im gleichen Moment verfinstern sich die Mienen von Angela Merkel und Horst Seehofer auf der Regierungsbank. Anton Hofreiter von den Grünen wird dunkelrot im Gesicht wie der abendliche Vollmond beim Aufgang über der Magdeburger Börde. Das ist der Moment, in dem Gottfried Curio mit einer seiner Reden beginnt, die im Volk so gefragt sind, daß die Bundestagsserver ächzen, wenn Zehntausende die Reden des AfD-Abgeordneten herunterladen wollen: Hunderttausende wollen ihn auf Youtube sehen. 

Rhetorische Begabungen sind im Bundestag selten. Der 57jährige gebürtige Berliner, von seiner Fraktion in den Innenausschuß entsandt, bereichert jede Debatte. Er spricht schnell und mit Schärfe in der Stimme; während der linke Arm meist auf dem Rednerpult ruht, wirbelt die rechte Hand mit ausgestrecktem Finger wie ein Taktstock. Wenn er den „Import von Fachkräften für Messerattacken“ anprangert oder erklärt, zielführend wären mehr Geburten, statt das eigene Volk auszutauschen. Oder wenn Curio den Schutz der Grenzen verlangt, was besser sei als der Schutz von Weihnachtsmärkten mit Betonpollern und Maschinenpistolen, dann bewahrheitet sich, daß das Wort eines einzelnen wirkmächtiger sein kann als ein Parteiapparat. Und die Gesichter auf der Regierungsbank sind jetzt versteinert. Hofreiters Toben signalisiert die Hilflosigkeit des Verzweifelnden.   

Curio hat höchste wissenschaftliche Qualifikationen in Physik und Mathematik, ist promoviert und habilitiert, war vor dem Gang in die Politik in Forschung und Lehre der Elementarteilchenphysik tätig – in Berlin, Princeton und München. Ein abgeschlossenes Studium der Musik kommt hinzu, was Curio zur absoluten Ausnahmeerscheinung im Hohen Haus macht, da sich beim Blättern im Bundestagshandbuch in mancher MdB-Vita als letzter Beruf vor dem Mandat allein „Assistent eines Abgeordneten“ findet. 

2014 stieß Curio zur Berliner AfD. Auf seiner Netzseite spricht er sich für die „Wiederherstellung vollständiger staatlicher Souveränität“ aus, womit die Hoheit über Staatsgrenzen, Geldpolitik, Recht gemeint ist. Wenn Curio erklärt, ein „zur Regel entarteter Doppelpaß untergräbt Staat und Demokratie“, dann rastet nicht nur die Linken-Politikerin Ulla Jelpke aus. Auch in den Zeitungsredaktionen hat Curio keine Freunde, wie Überschriften zeigen: „Eklat im Bundestag“ oder „Gaulands rechte Hetzer“ heißt es. Gefeiert werden hingegen Nachredner für ihre Mühen, Gottfried Curio das Wasser zu reichen. Derlei Versuche erinnern allerdings an den armen Dackel, der mit seinem Bellen den Mond am Aufgehen zu hindern sucht.