© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Mehr als nur mal Koffer öffnen
Bundesfinanzminister: Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit verfügt der Zoll über eine schwerbewaffnete Spezialeinheit
Peter Möller

Bei den Verhandlungen über den Bundeshaushalt gab sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gegenüber Forderungen seiner Kabinettskollegen nach mehr Geld für ihre Ministerien unnachgiebig. So verlangt es seine Position als oberster Kassenwart des Landes, und so haben es seine Vorgänger auch schon gehandhabt. Doch diese starke Verhandlungsposition beruht vielleicht nicht nur auf der Würde des Amtes. Denn was vielen nicht bewußt ist: Als Finanzminister kann sich Scholz, wie sonst nur die Verteidigungsministerin und der Innenminister, auf eine bewaffnete Macht stützen. Denn dem Finanzministerium ist auch die Bundeszollverwaltung unterstellt. Und deren Beamte, die unter anderem für Kontrollen an Grenzen und Flughäfen zuständig sind, tragen eine Dienstpistole.

Offensiv gegen               Straftäter vorgehen

Für größeres Aufsehen sorgte die Tatsache, daß der Zoll auch beim Dienst im Inland bewaffnet ist, als Anfang 2015 der Mindestlohn eingeführt wurde. Für die Kontrolle, ob Unternehmen sich an das neue Gesetz halten, ist der Zoll zuständig. Und der tauchte bei seinen Kontrollen in den Betrieben zur Überraschung vieler Unternehmer und der Öffentlichkeit ganz selbstverständlich bewaffnet auf – auch wenn es nur darum ging, in einer kleinen Bäckerei nach dem Rechten zu sehen. Viele Firmenchefs und Mitarbeiter fürchten sogleich um ihren Ruf: „Wir sind ein stets nach Vorschrift handelndes Unternehmen. Jeder, der das sieht, muß doch denken, wir seien kriminell. Das stinkt mir alles gewaltig“, zitierte Focus Online einen verärgerten Spediteur nach einer solchen Überprüfung. Der Zoll wirbt um Verständnis: „Die Dienstwaffe gehört einfach dazu und dient der Eigensicherung. Verkehrskontrollen führen wir auch nicht in Zivil durch“, sagte ein Sprecher des Hauptzollamtes Erfurt. Allerdings gebe es generell die Möglichkeit, Einsätze auch in Zivil zu absolvieren. Die Einschätzung der Gefahrenlage liege bei den jeweiligen Einsatzleitern: „Das Problem ist, daß wir früher viele Firmen nicht kontrolliert haben, die mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz nichts zu tun hatten. Die kennen diese Kontrollen jetzt nicht.“

Doch Zollbeamte tragen nicht nur zum Selbstschutz eine Dienstwaffe. Der Zoll verfügt sogar über Spezialeinheiten, die in der Lage sind, offensiv gegen Straftäter vorzugehen. Etwa die 1994 gegründete Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ): Hinter diesem unscheinbaren Namen verbirgt sich eine Einheit, die es in Ausstattung und Ausbildung mit den Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei aufnehmen kann. „Die Einsatzbeamten sind speziell dafür ausgebildet und ausgestattet, in den Einsatzsituationen – in denen eine Gefahr für Leib und Leben besteht – den Zugriff auf verdächtige Personen zu übernehmen“, heißt es dazu vom Zoll, der die Gründung der ZUZ mit der wachsenden Gewaltbereitschaft von Straftätern in Ermittlungsverfahren begründet. Allein 2015 kam die knapp 50 Mann starke Truppe bei 85 sogenannten Einsatzlagen im gesamten Bundesgebiet zum Einsatz. Daneben unterhält der Zoll seit den achtziger Jahren noch sogenannte Observationseinheiten, die mit den mobilen Einsatzkommandos (MEK) der Polizei vergleichbar sind und der operativen Bekämpfung der mittleren, schweren und organisierten Kriminalität dienen.

Angesicht dieser Schlagkraft sprechen Kritiker seit langem vom Zoll als einer Art „Nebenpolizei“, die weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit unterwegs ist. Nicht erst seit der Aufregung um die bewaffneten Mindestlohn-Kontrollen ist daher der Doppelcharakter des Zolls als Finanzbehörde und als Vollzugsdienst mit quasi polizeiähnlichen Aufgaben zur Wahrung der Inneren Sicherheit in die Diskussion geraten. Am weitesten vorgewagt hat sich bislang die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit ihrem Konzept einer Bundesfinanzpolizei. Dieses sieht vor, die polizeilichen Aufgaben des Zolls von den Tätigkeiten der Steuerverwaltung zu trennen, um das bisherige Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Aufgabengebieten aufzulösen. 

Nach Ansicht der Gewerkschaft ist die Rekrutierung von qualifiziertem Personal für die zunehmend eher polizeilichen Aufgaben der Zollverwaltung ein wachsendes Problem. Zudem gebe es zwischen den Aufgaben der Steuerverwaltung und den Aufgaben der Kriminalitätsbekämpfung oder Gefahrenabwehr nur wenige Berührungspunkte. Gerade mit Blick auf die Bekämpfung der international organisierten Kriminalität müsse der polizeiliche Teil des bisherigen Zolls besser mit anderen Sicherheitsbehörden verzahnt werden. „Es ist dringend an der Zeit, die Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdienste, aber auch die Grenzabfertigung des Zolls deutlich zu stärken. Dazu gehören neben der personellen Stärkung auch die Bündelung aller bewaffneten Einheiten unter dem Dach des Zollkriminalamtes sowie eine engere Verzahnung mit den übrigen Polizeibehörden des Bundes und der Länder“, verdeutlicht der Vorsitzende der GdP im Zoll, Frank Buckenhofer. 

In der Politik stößt das Projekt indes nur auf verhaltene Zustimmung. Vor allem aus dem Finanzministerium wird dieses Vorhaben blockiert. Doch das wundert in Berlin niemanden: Welcher Minister möchte schon ohne Not auf eine derart gut ausgestattete Hausmacht verzichten?