© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

„Grenzenlose Machtgier und ein Zentralisierungswahn“
Transfer- und Haftungsunion: Bruno Bandulet spricht im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags über EU-Subventionen für Italien und Gefahren für den Euro
Mathias Pellack

Die „Neue Deutsche Mark“ parallel zum Euro einzuführen, halten viele Zuhörer des Eurokritikers der ersten Stunde, Bruno Bandulet, für eine gute Idee. Zumindest wenn man den begeisterten Applaus der etwa 70köpfigen Runde im Jakob-Kaiser Haus des Bundestags als Maßstab nimmt. Eine Vielzahl an AfD-Abgeordneten und Sympathisanten der Anti-Euro-Bewegung, aus der die Partei einst entstand, haben sich am Donnerstag abend bei einem von der Desiderius-Erasmus-Stiftung unterstützten Vortrag eingefunden. 

Die Alternativwährung könnte im Fall des Austritts der Italiener aus dem Euroraum – ein Gedanke, mit dem die neue italienische Regierung derzeit demonstrativ spielt – Sicherheit bieten, spekuliert er. Doch hält der „Gold-Papst“, wie Bandulet vom Co-Veranstalter Peter Boehringer (AfD) vorgestellt wird, diesen Schritt für eher unwahrscheinlich. 

Denn dann wäre das Mittelmeerland erstens von einer Staatspleite bedroht. Den Italienern wurden bisher Staatskredite in Höhe von 2,3 Billionen Euro gewährt, was einer Schuldenquote von 132 Prozent relativ zum Bruttoinlandsprodukt entspricht. Zusätzlich habe Italien im europäischen Target-System 447 Milliarden Euro als Zahlungsbilanzdefizite angehäuft. Diese werden nicht in die Staatsverschuldung einberechnet, entsprechen aber Schuldscheinen, die die Europäische Zentralbank (EZB) einfordern könnte. Die zum Bruttoinlandsprodukt relative Schuldenquote betrage also eher 157 Prozent.

So zusammengefaßt lägen ein Sechstel der italienischen Schulden bei der Verwalterin des Target-Systems, der EZB in Frankfurt. Deutschland wiederum hat Target-Forderungen gegen die EZB in Höhe von 871 Milliarden Euro. Insgesamt sind das fast zwei Drittel der 1.250 Milliarden Euro, die die Zentralbank Europas Mitgliedsstaaten schuldet.

Demzufolge dürfte es kein Spaziergang für die Italiener werden, wenn das Land tatsächlich versuchte, aus dem Euro auszutreten und die Schulden im Target-System zurückzulassen. Denn wie EZB-Präsident Mario Draghi bereits im Januar 2017 an zwei italienische Abgeordnete im EU-Parlament schrieb: „Falls ein Staat aus dem Eurosystem austritt, müßten die Forderungen und Verbindlichkeiten seiner Zentralbank gegenüber der EZB vollständig erfüllt werden.“

Deutschland als Spielball fremder Interessen

Zweitens, so argumentiert Bandulet, würden die „Euro-Eliten“ Italien nicht einfach gehen lassen. Mit verstärkten Subventionen könnte man den Verbleib in der Transferunion „schmackhaft machen“. Mit diesen Aussagen erntet Bandulet, der zum ersten Mal in den Gebäuden des deutschen Bundestags spricht, viel Zustimmung. Bruno Hollnagel (AfD) war vor Ort und ist Mitglied der Bundesfachausschüsse Wirtschaft sowie Euro und Währung. Er sieht wie Bandulet, „daß die blinde Eurogläubigkeit Deutschlands die Bundesregierung dazu bringen wird, Italien durch Schuldenerlaß oder mehr Subventionen entgegenzukommen“, anstatt das Land gehen zu lassen. Die jüngsten Pläne des EU-Haushaltskommissars Günther Oettinger (CDU) weisen bereits in diese Richtung.

Oettinger hat im Entwurf für den „EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027“ die Strukturhilfen verringert. Das würde vor allem die EU- und migrationskritischen Länder wie Ungarn und Polen treffen. Dagegen sollen Staaten, die auf die eine oder anderen Weise Migranten aufgenommen haben, belohnt werden. Italien kommt dabei als Transit- und Aufnahmeland eine wichtige Rolle zu und darf deshalb auf zusätzliche Gelder hoffen. Bandulet wird nicht müde zu betonen, daß diese Subventionierung einem „Staatsstreich durch die Hintertür“ gleiche, da Deutschland zwar Hauptzahler sei, aber wie jedes andere EU-Land nur eine einzige Stimme im EZB-Rat habe, während die Union immer mehr Gelder fordere.

Der Autor von mittlerweile 14 Büchern weist darauf hin, daß vor einer Einheitswährung wie dem Euro und vor der „Subventionswirtschaft“ schon Ludwig Erhard in seinem Buch „Wohlstand für alle“ gewarnt habe. Das sei das genaue Gegenteil eines liberalen Staatsverständnisses, heiße es dort schon 1957. Die EU-Kommission setze in „grenzenloser Machtgier und in einem Zentralisierungswahn eine Behörde auf die andere“, erklärt Bandulet. Und das, obwohl mit der Europäischen Investitionsbank und dem 500 Milliarden Euro umfassenden Juncker-Fonds (EFSI) schon ein großer Subventionshauhalt bereitstünde. „Bei beiden könnte man problemlos kürzen.“

Der Analyst Bandulet warnt: „Um so mehr wir uns von dem Wirtschaftsmodell Erhards entfernen, um so mehr driften wir ab in eine langfristige Stagnation.“ Die europäische Transferunion werde durch einfaches Geldverteilen kein Wachstum schaffen. „Nirgendwo auf der Welt funktioniert das.“

 Der Politiker Hollnagel würde zwar eher von einer „Haftungsunion“ sprechen, „in der Deutschland so dumm ist, die Hauptrisiken zu tragen“. Aber daß die „Rechnung kommen wird, sobald jemand auf die Haftungszusagen pocht“, da ist auch er sich sicher. 

Die Ursache für diese Bereitwilligkeit, sich zum Zahlmeister Europas machen zu lassen, sieht Hollnagel in der mangelhaften Führung Deutschlands. Denn wer seine eigenen Interessen nicht formuliert, werde „zum Spielball fremder Interessen“.

Bruno Bandulet. Rede in den Räumen des Bundestags.

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