© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Bedenklich wiegt sie ihren Kopf. Sie mag Verdi ja sehr, ganz im Gegensatz zu Richard Wagner, aber eben deswegen habe ihr die Aufführung nicht sonderlich gefallen, erklärt mir die Freundin am Sonntagnachmittag an einem der Stehtische im Foyer der Berliner Philharmonie. Die Interpretation von Verdis Requiem durch den traditionsreichen Philharmonischen Chor Berlin unter der Leitung von Jörg-Peter Weigle sei ihr zu auftrumpfend, zu wuchtig, zu wagnerhaft ausgefallen. Zudem hätten die Stimmfarben der Solisten Karin Dahlberg (Sopran), Stefanie Irányi (Mezzo), Paulo Ferreira (Tenor) und Renatus Mészár (Baß/Bariton) nicht gut harmoniert. Ihr habe die differenziertere Darbietung Enoch zu Guttenbergs mit dem Orchester der KlangVerwaltung und der Chorgemeinschaft Neubeuern vor drei Jahren ebenfalls in der Philharmonie mehr zugesagt – jene Aufführung, die ich damals auch besucht hatte und hier kritisierte, weil es ihr „merklich an Raumvolumen“ gefehlt habe (Streifzüge vom 27. März 2015). Für meine Begriffe muß Verdis Requiem nun mal wagnerianisch interpretiert werden.


Unwort der Woche für kriminelle Hausbesetzer: Aktivisten 


Lesefrucht mit bitterem Nachgeschmack: „Spätestens der unaufhaltsame Erfolg der ‘Erklärung 2018’ zeigt dem letzten Skeptiker: 50 Jahre nach 1968 hat sich der Zeitgeist gedreht. Die Linke ist satt und am Ende ( …) Nun also die spürbare Gegenbewegung allerorten. Rechts hält an Bewährtem fest, verteidigt die Institutionen Tradition, Religion, Familie und Privateigentum. Endlich. Doch auch die Rechte ist nur nützlich, wenn sie die schützenwerten Institutionen nicht verwechselt, kurz: wenn sie nicht den konstruktivistischen kalten Zwangsmonopolisten Staat anstelle der organischen, konkurrierenden und freiwilligen sozialen Organismen hegt und pflegt.“ (André Lichtschlag im Editorial seines libertären Monatsmagazins eigentümlich frei, Mai 2018)


An diesem Donnerstag stellt Michael Angele, stellvertretender Chefredakteur des Freitag, in der Berliner Kulturbrauerei seine im Aufbau-Verlag erschienene Biographie Frank Schirrmachers vor. Eine erste Leseprobe wirkt vielversprechend. Angele greift Schirrmachers Spitznamen „Karlsson auf dem Dach“ auf und schreibt, wie die Figur Astrid Lindgrens wollte  auch der FAZ-Überflieger – mit neunundzwanzig Jahren wurde er deren Literaturchef, mit vierunddreißig der jüngste Herausgeber – „immer gewinnen, immer schneller sein als die anderen, sie überrumpeln“.