© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/18 / 25. Mai 2018

Knapp daneben
Irreführung Minderjähriger
Karl Heinzen

Die Kreis- und Hansestadt Korbach freut sich“, so läßt sie verkünden, „auf den 58. Hessentag vom 25. Mai bis 3. Juni“. Die weit über eine Million Besucher, mit denen man wieder rechnen kann, erwartet, wie gewohnt, ein breites Angebot aus Heimatkunde, touristischer Information, Provinztheater, Konzerten, Freßständen und mobilen Besäufnisstationen. Auch für Schulklassen ist der Hessentag ein beliebtes Ausflugsziel. Um sie sorgt sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zu den Behörden, die das Fest gerne nutzen, um sich dem Bürger ausnahmsweise gebührenfrei und ohne gesetzgeberische Zumutungen zu nähern, gehört traditionell nämlich auch die Bundeswehr. Sie zeigt, was sie hat und was sie kann, und das ist Gerät, das hier ja nur herumstehen muß, sowie auch schon einmal eine kleine Vorführung, wie man sich im Nahkampf behaupten kann.

Die Enttäuschung, als ein Verwaltungsangestellter in Uniform zu enden, sollte ihnen erspart bleiben.

Das wissen heute manche Schüler zwar viel besser, aber die GEW ist offenbar der Ansicht, daß die Zivilgesellschaft derartige Fertigkeiten ächten und nicht fördern sollte. Gegen Berufsinformation habe sie zwar nichts einzuwenden. Die Bundeswehr könne aber nicht als gewöhnlicher Arbeitgeber durchgehen. Lehrer sollten daher mit ihren Schülern einen großen Bogen um das Kriegerspektakel auf dem Hessentag machen. Den Jugendlichen erweist die GEW damit einen guten Dienst. Man müßte zwar nicht befürchten, daß sie ethisch desorientiert werden könnten. Im Gegenteil: Die Bundeswehr ist in der pluralistischen Gesellschaft wahrscheinlich der letzte Verein, dem der Begriff Gewissen noch etwas sagt und der seine Angehörigen zu sittlichem Handeln anleitet. Allerdings ist sie eben doch ein stinknormaler Arbeitgeber, der überwiegend auch nur langweilige und schlecht bezahlte Jobs anzubieten hat. Was sie auf dem Hessentag zu bieten hat, kann daher als eine gezielte Irreführung Minderjähriger angesehen werden. Die Enttäuschung, sich für eine als spannend verkaufte Herausforderung zu verpflichten, um dann doch in archaisch ausgestatteten Büros wie ein Verwaltungsangestellter in Uniform zu enden, sollte man ihnen ersparen.