© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/18 / 01. Juni 2018

Entfesselte Jagdmeute
Hetze gegen die AfD: Die „Zivilgesellschaft“ erklärt das Argument zum Feind
Thorsten Hinz

Gutmenschlicher Lynchmob ist möglich! Das Video, das in Wort und Bild dokumentiert, wie eine Frankfurter Grünen-Politikerin den AfD-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, und seine sich an Gehstöcken bewegende Begleiterin auffordert, die Altstadt der Mainmetropole zu verlassen und einen Passanten zu „Nazis raus“-Rufen animiert, offenbart ein enormes Gewaltpotential. Die hysterisierte Grüne tritt ausdrücklich als Sprecherin eines „Wir“ in Aktion, und zwar eines „Wir“, das sie als Hetz- und Jagdmeute imaginiert.

Der Vorfall ist die folgerichtige Konsequenz aus der Dauerhetze, der die AfD seitens der etablierten Parteien und fast sämtlicher Medien ausgesetzt ist. Den politisch-medialen Komplex treibt zur Weißglut, daß die AfD über Detailkritik hinausgeht und die systemischen Fehler offenlegt, die das Land in die Zerstörung treiben. Obwohl ihre Abgeordneten parlamentarische Neulinge sind, entlarven sie mit ihren Auftritten das niedrige Debattenniveau der etablierten Parteien und die Mediokrität ihres Personals. Gegen die scharfzüngige Fraktionschefin Alice Weidel wirkt das SPD-Pendant Andrea Nahles wie eine prollige Funktionärsgöre und steht die Grüne Kathrin Göring-Eckardt als die sprichwörtliche „dumme Liese“ da, während ihr Co-Vorsitzender Anton Hofreiter sich als blonde Megäre exaltiert. Einzig die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht befindet sich intellektuell und rhetorisch mit ihr auf gleicher Höhe.

Das geschieht zu einer Zeit, in der die Probleme der Masseneinwanderung dem Land über den Kopf wachsen, der Kinderglaube an wertefundierte, transatlantische Gewißheiten durch US-Präsident Trump zerstört wird und die Exportnation Deutschland in der Schraubzwinge zwischen Amerika und China steckt. In der EU nehmen infolge von Merkels Politik die Fliehkräfte zu, und die Dauerkrise des Euro hat dem Land uneinholbare Außenstände in dreistelliger Milliardenhöhe beschert. Die eigenen kognitiven Dissonanzen, unbeantwortbaren Fragen und unterdrückten Zweifel, die daraus entstehen, treten den etablierten Politikern und Medienmachern in Gestalt der AfD als politischer Konkurrent entgegen.

Da eigene Argumente knapp sind, erklärt man die der AfD zum Ausdruck von „Haß“, wohl wissend, daß man damit zur Gewalt anstachelt. Für den AfD-Parteitag in Augsburg haben einschlägige Akteure einen Reiseführer für Krawalltouristen zusammengestellt, der Empfehlungen zum Bau von Nagelbrettern, für Straßenblockaden, Farb- und Brandattacken sowie Hinweise auf Hotels enthält, in denen Delegierte übernachten könnten. Im Vorfeld der AfD-Kundgebung vergangenen Sonntag in Berlin wurde aufgerufen, sie „mit allen notwendigen Mitteln zu sabotieren“. 

Die Bundeszentrale für politische Bildung empfiehlt, ein „kommunales Wir-Gefühl“ als „Mobilisierungsressource für kommunales Engagement gegen Rechts nutzbar“ zu machen. Nur verläuft die Mobilisierung genau umgekehrt. Eine Gesellschaft aber, die das politische Argument zum Feind erklärt und aus der Zerstörung der politischen Vernunft ein „Wir-Gefühl“ zu generieren versucht, ist krank und im Zerfall begriffen!

Der Schriftstellerverband erwägt, AfD-Mitglieder aus seinen Reihen auszuschließen. Ähnliche Bestrebungen sind aus Gewerkschaften, Sportvereinen und Wohlfahrtsverbänden bekannt. Die Mitgliedschaft oder Nähe zur AfD führt zu faktischen Berufsverboten, zu Karriereknicks, Auftragsverlusten, wirtschaftlichen Schäden. In der Berliner U-Bahn tauchen Aufkleber auf, die AfD-Mitgliedern das Fahren im öffentlichen Nahverkehr verbieten. Diese angebliche Kunstaktion des „Zentrums für politische Schönheit“ ist ein weiterer Knoten im immer dichter geknüpften Netz sozialer Signale, das sich über die Gesellschaft legt und für ein Klima der Einschüchterung, Denunziation und des Konformismus sorgt.

Der Chef des „Zentrums“, Philipp Ruch, durfte in der Welt am Sonntag den Artikel „Ächtet Sie!“ veröffentlichen. Er stellt sich großspurig als „Ideengeschichtler“ vor, bietet aber bloß den Tunnelblick des vernagelten Sektierers: Die „offene Gesellschaft“ sei durch „Antisemiten, Hobbygenetiker oder Rechtsradikale“ bedroht, die mit „Hetze gegen Intellektuelle, Journalisten, Juden oder Muslime“ die „Grundpfeiler einer Demokratie“ zum Einsturz bringen wollten. Bei allen Wirrungen ist der Text von einer brutalen Stringenz. Ruch möchte die Repressionsmacht des Staates durch gesellschaftliche Repression ergänzen. Gegen den politischen Gegner will er nicht argumentieren, sondern ihn zermürben, indem er ihm immer wieder seine öffentliche Ohnmacht vor Augen führt. Als gelungenes Beispiel gilt ihm der Fall des 2002 durch Freitod geendeten FDP-Politikers Jürgen Möllemann, der nach Kritik am israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon und am Verbandspolitiker Michel Friedman von den Medien zur „Persona non grata“ gemacht wurde. Ruch zynisch: „Die soziale Isolation endete damit, daß der Betroffene buchstäblich vom Himmel fiel.“ Hier wird der Tötungswunsch geäußert, welcher der Jagdmeute eigen ist.

Der Text wäre nicht erwähnenswert, wenn er auf ein Sektierer-Blättchen beschränkt geblieben wäre. Doch er erschien in einem Springer-Blatt, das an Möllemanns Erlegung führend beteiligt war. Über Ruch heißt es dagegen: „Die Aktionskunst-Gruppe macht sich für Menschenrechte und Humanität stark.“ Man kann das als geteilten Wunsch sowie als Drohung lesen. Die Jagd auf Alexander Gauland könnte sich als letzter Warnschuß und erster öffentlicher Probelauf erweisen.