© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Geschlossene Gesellschaft
Verdacht: Kündigt die rot-grüne Bezirksverwaltung einer Gastronomin, weil diese auch der AfD ihre Räume vermietet?
Martina Meckelein

Das Rathaus von Berlin-Charlottenburg ist eines der vielen Gebäude in Deutschland, die die Architekten Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth zur Kaiserzeit erbauten. Ein buckelquadriger Jugendstilklotz mit einem 89 Meter hohen Turm. Eröffnet 1905 – zur 200-Jahrfeier Charlottenburgs. Im Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten stark zerstört. 

Der Ratskeller mit monumentalen Rundbogengewölben bietet insgesamt 400 Personen Platz. Zuwenig Raum für einen grünen Baudezernenten, einen roten Bezirksbürgermeister und eine blaue Parteigliederung? Denn die AfD tagt und feiert hier seit Jahren. Nun scheint es seitens der Verwaltung Pläne zu geben, der Pächterin zu kündigen. Wird hier über Bande gespielt, um den politischen Gegner zu treffen? 

„Wir lassen das jetzt“, sagt er und legt den Hörer auf

Der Artikel im Tagesspiegel am 28. Mai kam wie eine normale Polizeimeldung daher. „‘Ratskeller’ in Charlottenburg mit Steinen beworfen“, hieß es in der Überschrift. Doch der Artikel hatte es in sich. Denn er stellt eine Beziehung her zwischen einigen Gästen – nämlich der AfD – und dem Wunsch des Bezirkes, deshalb den Pächter zu entmieten. Warum? Weil der Pächter der AfD weiterhin erlaubt, in den Ratskellerräumen zu feiern.

„Wir bedauern sehr, daß sich der Pächter nicht auf unsere dringlichen Bitten einläßt, sich politisch mehr zurückzuhalten“, zitiert der Tagesspiegel den Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Oliver Schruoffeneger von den Grünen.

Der JUNGEN FREIHEIT gegenüber sagt allerdings der grüne Baustadtrat Schruoffeneger: „Ich habe nicht über die AfD geredet. Wir glauben nicht, daß Parteiveranstaltungen aller Art in Rathäuser gehören.“ Und Schruoffeneger versichert, daß er auch gegenüber seinen eigenen „ParteifreundInnen“, den Grünen, genauso vorgehen würde. Wie denn die „dringliche Bitte“ an den Pächter formuliert war, mag er allerdings nicht präzisieren: „Man sagt das mal so.“ Dann legt der Herr Baustadtrat, ein gelernter Politologe, mit den Worten „Wir lassen das jetzt!“ den Telefonhörer auf.

Der Sprecher des Bezirksvorstands der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf, Hugh Bronson, schildert die Geschichte gegenüber der jungen freiheit folgendermaßen: „Wir sind seit 2013 im Ratskeller, seit 2014 ist er für uns eine feste Größe.“ Das liege einfach daran, so Bronson, daß die AfD in Berlin, wie auch bundesweit, immer größere Probleme habe, Gastwirtschaften zu finden, in denen sie tagen könne. So trifft sich heute die AfD im Ratskeller nicht nur zum Stammtisch, sondern feiert hier auch Wahlpartys. Vor ungefähr einem halben Jahr will Bronson von den Plänen gehört haben, der Pächterin den Vertrag zu kündigen. „Sie sprach uns voller Sorge an“, erinnert er sich. „Sie habe gehört, aus den Räumen des Ratskellers solle die Gastronomie raus und eine Bibliothek rein.“

Treibende Kraft hinter den Plänen, die Pächterin loszuwerden, soll laut Tagesspiegel Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) sein. Und das Blatt setzt noch einen drauf: Es vermittelt dem Leser den Eindruck, daß es einen Bezug zwischen Vertragsauflösung und den Veranstaltungen der AfD gibt. Die Zeitung schreibt: „Doch verwaltungsintern gibt es rechtliche Bedenken, weil die AfD eine zugelassene Partei ist. Sie hat auch eine Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).“

Bezirksbürgermeister Naumann ist bis zum 18. Juni erst auf Dienstreise und anschließend im Urlaub, so sein Sekretariat zur jungen freiheit. Daher war er für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Bronson wundert sich auch über eine weitere Entwicklung im Fall Ratskeller. „Seit einiger Zeit werden plötzlich Stimmen laut, daß das Essen schlecht sei und die Bedienung miserabel.“ Ein Blick auf die Karte zeigt, daß hier rustikale deutsche Hausmannskost geboten wird: Königsberger Klopse für 11,50 Euro oder ein Zigeunerschnitzel für 14,50 Euro. Doch es scheint viel mehr um die angeschlossene Kantine Wintergarten zu gehen, schreibt der Tagesspiegel. Wörtlich heißt es: „In der Bezirksverordnetenversammlung wurde bereits vor einigen Monaten diskutiert, der Kantine zu kündigen, weil sich angeblich viele Mitarbeiter des Bezirksamts über das gastronomische Angebot beschwert haben. Verlöre der Pächter das Personalrestaurant, wäre der Betrieb des Ratskellers allein möglicherweise nicht mehr rentabel.“

Wo dringliche Bitten und angebliche Beschwerden über mieses Essen und schlechte Bedienungen nicht helfen, kommt jetzt die Antifa ins Spiel. Am 28. Mai haben laut Polizei um 3.30 Uhr mehrere Unbekannte die Glasfenster des Ratskellers mit Pflastersteinen eingeworfen. Der Staatsschutz ermittelt. Die linksextremistische Internetseite indymedia bricht darüber in Jubel aus: „Die Aktionen im Rahmen der Kampagne ‘Kein Raum der AfD’ scheint jetzt langsam zu wirken“.

Die Pächterin wollte gegenüber der jungen freiheit keine Stellungnahme abgeben.