© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Ländersache: Hamburg
Keine hanseatische Zurückhaltung
Ronald Berthold

Aufruf zur Denunziation oder Verteidigung gegen Hetze? Hamburg diskutiert heftig darüber, wie sich die AfD-Fraktion in der Bürgerschaft gegen politisch einseitige Lehrer wehrt. Die Partei plant für das nächste Schuljahr die Online-Plattform „Neutrale Schule Hamburg“. Darauf sollen Eltern „in Ausnahmefällen, wenn eine schulinterne Konfliktlösung für die Beteiligten nicht möglich scheint“, Verstöße gegen das Neutralitätsgebot der Pädagogen an die AfD-Fraktion melden. Die Abgeordneten wollen diese an die Schulbehörde weiterreichen.

Doch die ist alles andere als begeistert. Der Plan mache Kinder zu Denunzianten und instrumentalisiere sie „für Anliegen der AfD“, kritisierte der Sprecher von Schulsenator Ties Rabe (SPD), Peter Albrecht. Scharf reagierte auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger: „Öffentliche Listen mit ungeprüften Anschuldigungen gegen Lehrerinnen und Lehrer verstoßen nicht nur gegen den Datenschutz, sondern auch gegen das Vertrauensverhältnis im Klassenzimmer.“ Seine Kollegen ließ Meidinger allerdings auch nicht ungeschoren davonkommen: „Lehrer sollen ausgewogen und neutral sein und im Unterricht ihre persönliche Meinung klar als solche kenntlich machen. Wenn es Einzelfälle gibt, wo Lehrer das Mäßigungsgebot vermissen lassen, muß das mit der Schulleitung geklärt werden.“

Mit ihrer spektakulären Aktion hat die Partei schon das erreicht, was sie wollte: Aufmerksamkeit für die zuweilen einseitige Ausrichtung des Unterrichts. In einer Großen Anfrage an den Senat hatte die Fraktion diverse Vorfälle aufgelistet, mit denen sie meinte, den Vorwurf belegen zu können. So habe eine Geschichtslehrerin die AfD „unwählbar“ genannt und sie mit der NSDAP verglichen.

Schon mit diesem parlamentarischen Instrument hat die Partei Erfolg. In seiner Antwort bekräftigte der Senat das Gebot zur politischen Neutralität von Lehrern. Bereits im vergangenen Jahr habe man Dienstaufsichtsbeschwerde gegen fünf Mitarbeiter der Behörde wegen vermeintlicher Verstöße eingereicht. Aber: Die Verstöße hätten nicht festgestellt werden können.

AfD-Fraktionschef Alexander Wolf begründete seinen Vorstoß so: „Leider gibt es unter den Hamburger Lehrern und Mitarbeitern der Schulbehörde immer wieder verblendete Ideologen, die politische Bildung mit politischer Indoktrination verwechseln.“ Die Positionen von sechs Millionen Wählern müßten im Unterricht kontrovers, aber nicht abwertend berücksichtigt werden. In der Großen Anfrage warf seine Fraktion Lehrern „Hetze, Stimmungsmache und Falschbehauptungen“ vor.

Offenbar aufgrund der Kritik hat die AfD ihre Pläne jetzt relativiert. Zunächst hatte sie in einer Presseerklärung nur davon gesprochen, die Online-Plattform solle „nicht nur über die rechtlichen Vorschriften des Neutralitätsgebotes informieren, sondern soll Schülern, Eltern und auch Lehrern die Möglichkeit bieten, über ein vertrauliches Kontaktformular Verstöße an die AfD-Fraktion zu melden“. Die Erklärung, daß dies nur in „Ausnahmefällen“ geschehen soll, schob sie nach dem Negativ-Echo, das auch vom bildungspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming, kam, zwei Tage später hinterher.