© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

„Ich drängele, bis ich das bekomme, was ich will“
Außenhandelspolitik: Donald Trump setzt auf knallharten Verhandlungspoker / China als Blaupause für die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen?
Thomas Kirchner

Vor vier Jahren schrumpfte der G8-Gipfel wieder zu G7, denn Rußland wurde nach 16jähriger Mitgliedschaft wegen der Krim-Annexion ausgeschlossen. Ein Land, das mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,53 Billionen Dollar für keine zwei Prozent der Weltwirtschaftsleistung steht, mag verzichtbar sein – nicht aber die USA, die mit 19,4 Billionen Dollar für fast ein Viertel des globalen BIP stehen. Dennoch forderte der Spiegel: „Sagt den G7-Gipfel ab!“

Das 44. Treffen wird dennoch am Wochenende in Kanada stattfinden – trotz Donald Trumps „America first“-Politik. Bei den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium geht es nicht um Abschottung, Industrierohstoffe oder die EU. Es geht um China. Und um einen faireren Welthandel. Mit zwölf Billionen Dollar (15 Prozent des Welt-BIPs) ist China die zweitgrößte, aber abgeschottete Volkswirtschaft der Welt. Die USA sind weiterhin die global größte Volkswirtschaft, deren Offenheit nur von Zwergstaaten wie Hongkong übertroffen wird.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Japans Entwicklungsmodell in Asien erfolgreich kopiert: die eigene Volkswirtschaft abschotten und im Land hergestellte Produkte billig in die USA und nach Europa verkaufen. Solange es um Japan oder Südkorea ging, hielt sich der Schaden in Grenzen. Doch Chinas Merkantilismus hat das System gesprengt. Die Welthandelsorganisation WTO ist zu einer großen Enttäuschung für den Freihandel geworden. Mit dem Beitritt Chinas im Jahr 2001 als Entwicklungsland wurden Handelsprivilegien zementiert, die anachronistisch wirken, nachdem China mit Deutschland um den Titel Exportweltmeister ringt.

China ist zwar nicht mehr richtig Entwicklungsland, kommt aber in den Genuß der gleichen Handelsprivilegien wie der bettelarme Tschad. Es darf seine Wirtschaft abschotten, kann jedoch auf weitgehend freien Zugang zu den Märkten der Industrienationen pochen. Die Zahlen belegen, daß es im Handelsstreit vor allem um China geht: Auf 375 Milliarden Dollar kletterte 2017 das bilaterale amerikanisch-chinesische Handelsbilanzdefizit. Deutschland exportierte „nur“ für 64 Milliarden Dollar mehr, als es aus den USA importierte.

Die deutschen Autoexporte dienen als Druckmittel

200 Milliarden Dollar an Zugeständnissen will Trump bis 2020 von China erzwingen, er könnte sich vielleicht mit 100 Milliarden zufriedengeben. Die Strafmaßnahmen der EU betreffen nur 332 Produkte im Gesamtwert von 2,8 Milliarden Euro. China wird Washington als Blaupause für die zukünftigen Handelsbeziehungen dienen: eine Vielzahl bilateraler Abkommen statt multilateraler Verhandlungen, die so komplex geworden sind, daß es nur noch Debattierklubs sind, wie der US-Handelsminister Wilbur Ross unkte.

Mit Südkorea haben die USA bereits ein bilaterales Abkommen geschlossen, das Quoten für Stahl und Aluminium festlegt. Mit Mexiko und Kanada laufen die Neuverhandlungen zum Freihandelsabkommen Nafta. Auch China ist in Gesprächen. Nur die EU-Führung sträubt sich und lehnt Verhandlungen strikt ab. Trumps Verhandlungsstil stößt auf Unverständnis. Europäische Politiker sind gewohnt, den Status quo beizubehalten und dies in tausendseitigen Vertragswerken zu verschleiern.

Trump beschreibt seinen Ansatz in seinem 1987 erschienenen Buch „Kunst des Verhandelns“: „Ich ziele hoch hinaus, und dann drängele und drängele und drängele ich, bis ich das bekomme, was ich will.“ Auf Ausgleich bedachte EU-Berufspolitiker haben da schlechte Karten. Die deutschen Reaktionen auf die Strafzölle glichen denn auch einer Schockstarre: der Industrieverband BDI etwa pocht darauf, juristisch habe Europa die besseren Karten und würde Vertragsverletzungsverfahren bei der WTO gewinnen. Doch wie klug ist so ein Verfahren, wenn in der Zwischenzeit China seine Märkte bilateral für US-Firmen öffnet, aber nicht für europäische? Ob man es will oder nicht, ob man glücklich ist oder nicht, Realpolitik bedeutet, daß man eingestehen muß, daß Trump die Karten im Welthandel neu gemischt hat.

Stahl und Aluminium generieren wenig Handel zwischen Europa und den USA. Trump wünscht sich Quoten, die eine Reduzierung des EU-Exports um zehn Prozent bewirken. Dabei wird es nicht bleiben. Rhetorische Attacken gegen deutsche Autoexporteure hat er schon 2016 lanciert, und diese Branche dient als Druckmittel: Die USA waren 2017 mit 493.643 Pkw ihr zweitwichtigster Absatzmarkt. Ein transatlantischer Handelskrieg scheint unvermeidbar, wenn die Europäer nicht mehr verhandeln wollen.

Presidential Proclamations Adjusting Imports of Aluminum & Steel into the United States:

 whitehouse.gov/

 Kommentar Seite 2