© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Der höhere Sinn
Popkultur: Während die migrantisch geprägte Rapper-Szene vor Selbstbewußtsein strotzt, ergehen sich linksdrehende Musiker in deutschfeindlichen Texten
Thorsten Hinz

Wir sollten nicht damit anfangen, einen tieferen Sinn in Dingen zu suchen, wo es keinen tieferen Sinn gibt“, sagte der sichtlich nervöse Campino, Frontmann der Toten Hosen Mitte April dieses Jahres auf der „Echo“-Preisverleihung in Richtung der Rapper Kollegah (33) und Farid Bang (32). Es gehe aber im Kern nicht um einen Rap-Text, „sondern viel mehr um einen Geist, der zur Zeit überall präsent ist“. Doch halt: Wenn der Rap-Text einen bestimmten Geist repräsentiert, liegt darin schon mal ein Sinn. Und der ist vielleicht tiefer, als den meisten lieb sein mag.

Die Strophe aus dem Lied „0815“, die soviel Aufsehen erregte und dem „Echo“ das Ende bescherte, lautet: „Mach’ dein Bahnhofsghetto zu Charlie Hebdo/ Deutschen Rap höre ich zum Einschlafen/ Denn er hat mehr Windowshopper als ein Eiswagen, ah/ Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet/ Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“.

Das ist die Sprache eingewanderter Unterschichtler, die zu subtiler Argumentation weder in der Lage noch willens sind, die sich Geltung durch aggressive Körperlichkeit und Gewalt-androhung verschaffen. Als Alt-Punker Campino (55) forderte, der Rap dürfe keine „frauenfeindlichen, homophoben, rechtsextremen oder antisemitischen“ Provokationen erhalten, muß er auf die zwei Skandalmusiker wie ein Zombie aus einer alten, versinkenden Welt gewirkt haben. Zum Einschlafen!

Der letzte, geschmacklose Satz ist in dem Kontext nicht antisemitisch, sondern er verspottet die Zivilreligion der Deutschen, „unser Auschwitz“ (Martin Walser). Und er hat noch eine weitere hintersinnige Aussage: Ihr undefinierte Deutsche putzt Stolpersteine, während wir uns Muskeln antrainieren.

Verachtung und Überlegenheitgefühl drückt sich auch in der Zeile aus: „Dieses Album kommt, weil ihr wieder Ansagen braucht“. Die wichtigste Ansage ist bereits im Namen des Albums enthalten: „Jung brutal, gutaussehend“. Das deutsche Gegenüber sieht offenbar alt, schwach und häßlich aus.

Text, Musik und Performance der Rapper besagen auch: Wir sind längst unangreifbar! Vor über zwei Jahren machte kurz eine Meldung aus Gelsenkirchen die Runde, um gleich wieder im Nachrichten-Orkus zu verschwinden. Zwei Vertreter arabischer Clans, darunter ein Mitglied des Gelsenkirchener Integrationsrates, hatten eine Polizeiwache aufgesucht, um sich über Übergriffe seitens der Polizei bei Festnahmen zu beschweren. Dabei habe das Duo davon gesprochen, daß die Polizei „einen Krieg mit den Libanesen nicht gewinnen“ werde, weil sie zu viele seien. „Das würde auch für Gelsenkirchen gelten, wenn wir wollen.“ Nicht nur in Gelsenkirchen! Campinos Nervosität war also verständlich.

In der aktuellen Juni-Ausgabe des libertären Monatsmagazins Eigentümlich frei hat Selina Wolf, eine Kennerin der Musikszene, auf die enorme wirtschaftliche Macht der Rapper-Szene hingewiesen. Längst hat sie sich in anderen Wirtschaftsbereichen etabliert. Sie verfügt über eigene Vertriebskanäle und hat die öffentlich-rechtlichen Sender überhaupt nicht nötig. Die aufwendig gemachten Videos kosten um die 35.000 Euro. „Die mediale Dominanz des Gangster-Rap in den Seelen der Jugendlichen“, schreibt Selina Wolf, „erschafft einen neuen Kanon der Werte, die als cool und selbstverständlich gelten. Es sind dies ausschließlich Merkmale eines macho-migrantischen Lebensstils.“

Ihr Selbstbewußtsein zeigte sich bei einem Interview, das der Sender ProSieben am Rande der Premiere des Films „Fack ju Göte 3“ mit dem Darsteller Farid Bang führte. Normalerweise zeigen Künstler sich in solchen Momenten verbindlich, um sich für Anschlußaufträge zu empfehlen. Der Rapper hingegen erschien wie ein König, der dem aufgeregten Moderator gnädig eine Audienz gewährte und sich nur knappste Statements entlocken ließ.

Was hat die biodeutsche Musikszene dagegenzusetzen? Der blondgelockte, niedliche Tim Bendzko, ein Mann Anfang Dreißig, zirpt mit dünner Stimme: „Ich bin doch keine Maschine!/ Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut/ Und ich will leben, bis zum letzten Atemzug“. Er klingt dabei, als hauche er schon sein Leben aus. Um den ProSieben-Star Homer Simpson zu zitieren: „Laaaangweilig!“

Härter sind die Jungs von der linksdrehenden Band Feine Sahne Fischfilet. Musikalisch handelt es sich, wie Claus Wolfschlag hier kürzlich schrieb, um „mit Rockgitarren aufgemotzte schliche Sauf- und Mitgröllieder“ (JF 16/18). In den Texten wird es mitunter romantisch, dann ist von Weltverlorenheit, Sehnsucht und Liebe die Rede: „Wir haben immer noch uns/ Auch wenn wir ganz schön tief in der Scheiße stehen/ Doch wir haben immer noch uns/Auch wenn wir manchmal einsam sind/... /Ich hoffe, daß wir uns nie verlieren“. Nur ist das Gute nicht immer beisammen: „Es ist kalt, es ist kalt in der Stadt/ Wir haben Bock auf Streß und ’ne Menge Haß“.

Wie bei Kollegah und Farid Bang drängt die aufgestaute Aggression nach körperlicher Entladung. Was den einen die Pumpgun ist, das ist für den anderen der antifaschistische Kampf: „Wir sind zurück in unsrer Stadt/ Und scheißen vor eure Burschenschaft“. Mutig, mutig, sich an Leuten auszutoben, die gesellschaftlich ohnehin in Verschiß sind. Richtig politisch wird es hier: „Punk heißt gegen’s Vaterland, das ist doch allen klar/ Deutschland verrecke, das wäre wunderbar!/ Heute wird geteilt, was das Zeug hält/ Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!“ 

Das ist der Unterschied: Farid Bang und Kollegah wenden sich namens der Migranten-Community an die Adresse der verächtlichen, allerdings noch überzähligen Deutschen. Bei Feine Sahne Fischfilet reicht es nur zur deutschen Autoaggression, womit sie das Bild der Schwäche, Selbstaufgabe und Verächtlichkeit, das die anderen von uns haben, bestätigen. Auf einem Foto trägt ein Bandmitglied ein schwarzes T-Shirt, in dessen Mitte auf weißem Grund ein Bomber und die Aufschrift „Kaput krauts“ zu sehen sind.

Auch die Antilopen Gang verwechselt Selbstauslöschungsphantasien mit Mut und Kreativität: In dem Lied „Baggersee“ aus dem 2017 erschienenen Album „Anarchie und Alltag“ heißt es: „Ein halbes Jahrhundert, bevor wir auf die Welt kamen/ Da lebten in Deutschland die Eltern unserer Eltern/ Menschen zu verfolgen und zu töten hat sie geil gemacht/ (…)/ Oma und Opa tobten sich aus/ Und sprengten die Zivilisationsfesseln auf/ Ein rauschendes Fest, bis die Alliierten kamen/ Und ihnen gegen ihren Willen die Demokratie aufzwangen“. Stupide wiederholen sie, was sie im rotgrünen Geschichts- und Sozialkundeunterricht gelernt haben. Ihre Lösung lautet: „Atombombe auf Deutschland, dann ist Ruhe im Karton/ Atombombe auf Deutschland, alles Gute kommt von oben/ Der historische Fehler, daß Deutschland existiert“.

In dem Zusammenhang muß an die Künstlerin Anne Helm erinnert werden, die im Februar 2014 in Dresden mit entblößter Brust Bomber-Harris ihren Dank abstattete, was eine weitere Aktivistin, Julia Schramm, zu dem Reim inspirierte: „Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!“ Ein weiteres lyrisches Talent, die Politologiestudentin Sarah Rambatz, reimte kürzlich. „Es war schon kalt in Stalingrad für Opa und sein’ Kamerad, dafür wurd’s in Dresden warm, als der Bomber Harris kam!“ Alle drei Damen versuchen oder sind schon dabei, in der Linkspartei politische Karriere zu machen.

Solche Perfidien werden auch von Migranten registriert, gerade von den Rappern, deren Empfänglichkeit für die seismischen Schwingungen in einer Gesellschaft die Voraussetzung ihres Erfolgs ist. Sollten sie jemals den Wunsch gehabt haben, sich in die vielbeschworenen „Werte“ der Bundesrepublik zu integrieren, so wird sie der Verwesungsgeruch, der ihnen aus der Wertevermittlung ihrer deutschen Kollegen entgegenweht, davon überzeugt haben, daß es sich nicht mehr lohnt.

Im August 2016 veröffentlichte die Band Jennifer Rostock ein Musikvideo, mit dem sie in die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern eingriff: „Willst du ’ne Partei, die ihre Wähler manipuliert?/ Dann wähl die AfD, wähl die AfD/ Die deren Ängste instrumentalisiert/ Dann wähl die AfD, wähl die AfD/ Eine Religion als Feindbild, rechter Terror und was weiß ich/ Das alles riecht verdammt nochmal nach 1933/ Du willst, daß sich was ändert in dem Land und zwar zum Guten, na dann geh und wähl/ Nur bitte diesen Scheiß nicht!“ 

Die Kußhand in Richtung Islam nutzte der Sängerin gar nichts. Kollegah und Farid Bang haben sie im Song „0815“ verächtlich auf ihren Platz verwiesen: „Und Jennifer Rostock schwingt nach ’ner Schelle den Kochtopf/ Bringt dann die Säcke zum Kompost und blowt den prächtigen Bosscock“.

Unter der Käseglocke des Konformismus, der politischen Korrektheit und des nationalen Masochismus hat die etablierte Kulturszene nicht bemerkt, daß eine ganz anders geartete Alterskohorte heranwächst, die einen anderen Hintergrund hat und andere Ausdrucksformen herausbildet. In beängstigendem Tempo übernimmt sie die Initiative. Auf der Bühne, auf der Straße. Das ist der höhere Sinn der Sache.