© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Zeitschriftenkritik: Preußenland Geographic Special
Geschichtspolitisch befriedetes Gelände
Ulf Wiese

Manager, Nieten in Nadelstreifen, verkaufen Schrumpfung und Stellenabbau gern schönfärberisch als Chance zur Erzielung von „Synergieeffekten“, die man mit der Zusammenlegung von Betriebsteilen erreiche. Auf einen ähnlich blumig-verlogenen Zweckoptimismus haben die Historiographen Ost- und Westpreußens 2010 verzichtet, als sie das Jahrbuch Preußenland begründeten. 

Es ist nun einmal im Zeichen des bundesrepublikanischen „Abbaus des Menschlichen“ – wie dies der bis 1944 in Königsberg tätige Verhaltensforscher Konrad Lorenz genannt hat –, zurück zum historisch bewußtlosen „Marktteilnehmer“, politisch gewollt, auch die Erinnerung an jenes Deutschland zwischen Weichsel und Memel spurenlos auszulöschen, das Kopernikus, Kant, Hamann, Herder, Hilbert, Corinth und Kollwitz hervorgebracht hat.

Um dies zu erreichen, mußte das Staatsministerium für Kultur und Medien, seit 2005 fest in CDU-Händen, zuerst in denen des Bremers Bernd Neumann, jetzt in denen der Westfälin Monika Grütters, einfach nur an der Geldschraube drehen. Die Förderung der ostdeutschen Kultur, im Bundesvertriebenengesetz als Staatsauftrag fixiert, geriet daher seit der Wiedervereinigung mehr und mehr zu einer von Almosen alimentierten Farce. Folglich ging auch der Zeitschrift der Copernicus-Vereinigung für Geschichte und Landeskunde Westpreußens und dem Periodikum Preußenland der 1923 in Königsberg ins Leben gerufenen Historischen  Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung finanziell die Puste aus. Zwangsläufig fusionierten diese beiden Hüter der Überlieferung 2010, und zwar so, daß nun auch die Mitteilungen des Berliner Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz noch integriert werden konnten. So entstand das „synergetisch“ kreierte Preußenland, das seither auf gut 200 Seiten die Erinnerung an den Nordosten des Deutschen Reiches bewahren möchte.

Das druckfrische Heft 2017 füllen einmal mehr Aufsätze zur Geschichte des Deutschen Ordens im Preußenland zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Unter denen sticht die quellensatte Studie der Potsdamer Historikerin Marie-Luise Heckmann über „Falken im Ordensland und Herzogtum Preußen“ mit ihren originellen, an moderner Umweltgeschichte orientierten Fragestellungen hervor. Die Ordenszeit, deren Platz in der deutsch-polnischen „Erinnerungskultur“ ein Beitrag Jürgen Sarnowskys gewidmet ist, bleibt deswegen bevorzugter Tummelplatz ost- und westpreußischer Landesforschung, weil hier mittlerweile die Routine geschichtspolitischer „Verständigung“ herrscht. Im Gegensatz zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, wo, ungeachtet eifriger deutscher Anpassung an polnische Lesarten, unter der Decke noch ein unkalkulierbares Restrisiko für Kontroversen schlummert. 

Kontakt: Preußenland. Jahrbuch der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung und der Copernicus-Vereinigung für Geschichte und Landeskunde Westpreußens, Band 8 (2017), Fibre Verlag, Osnabrück 2018, 226 Seiten, Abbildungen, 29,80 Euro. 

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