© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Teflonpfanne statt Grillrost
Christian Vollradt

Wenn es eng wird auf den Pressetribünen im Bundestag, dann muß etwas Besonderes auf der Tagesordnung stehen: zum Beispiel die Rede eines prominenten Gastes, eine wichtige Wahl – oder wie am Mittwoch vergangener Woche eine Premiere. Erstmals stellte sich die Bundeskanzlerin in der Regierungsbefragung persönlich den Abgeordneten. Dreimal im Jahr soll dies nun so sein, darauf hatten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt. Die Sozialdemokraten hatten darauf bestanden, die CDU/CSU-Fraktion gab dem Wunsch schließlich nach. 

Hintergrund der Neuerung war die Erkenntnis, daß im Hohen Haus zwar „viel geredet, aber wenig debattiert“ (so Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert) wurde – und daß genau dies einer der Gründe für den Wahlerfolg der AfD war. Steht normalerweise die „Befragung der Bundesregierung an, ist das meist eine eher dröge Angelegenheit. Kaum denkbar, daß dann schon gut zehn Minuten vor Sitzungsbeginn kaum noch ein Plätzchen frei ist auf den harten Bänken der Berichterstatter. Denn dann entsenden die Ministerien in der Regel ihre Staatssekretäre auf die Regierungsbank, die ihre Antworten in ein fast leeres Rund hinein abspulen. 

Wer nun aber bei Merkels Auftritt damit gerechnet hatte, die Kanzlerin werde „gegrillt“ wie ihr britisches Pendant bei der gefürchteten „Prime Ministers Questions“ im Unterhaus, der wurde enttäuscht. „Cool“ habe die in Signalfarbe rot gewandete Merkel die Sitzung absolviert, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, resümieren einige Journalisten mit kaum verhohlener Bewunderung. Mit negativem Vorzeichen lautet das Fazit dagegen: Wie an einer Teflonschicht ließ die Regierungschefin Kritik an sich abperlen und manche Frage schlicht unbeantwortet. 

Daß die Premiere also eher ein Reinfall war, lag jedoch nicht allein an der Kanzlerin. Das strenge Format mit ingesamt sechzig Minuten, verteilt auf jeweils eine Minute Frage- und eine Minute Antwortzeit, tat hier ein übriges; genauso wie das Reihum der Fraktionen beim Fragerecht. Die blieben thematisch in etwa bei dem, was man von ihnen erwartete. Die AfD bezog sich vor allem auf den Umgang mit Rußland, auf den Europäischen Währungsfonds und die Asylkrise, die Linke beklagte soziale Mißstände und Wohnungsmangel, die FDP fragte nach Europapolitischem, und die Grünen interessierte der Kampf gegen Plastikmüll. Die SPD konnte sich nicht ganz entscheiden, ob sie Regierungs- oder Oppositionspartei ist. Und die Union versuchte sich als Stichwortgeber für „Warum wir so erfolgreich regieren“-Propaganda. 

Für Schnappatmung im Plenum – nicht bei Merkel – sorgte AfD-Mann Gottfried Curio, dessen migrationskritische Philippika in der Frage „Wann treten Sie zurück?“ mündete. Den Banalitäten-Gipfel erklomm die Grüne Katja Dörner, die sich einen höheren Frauenanteil im Bundestag erhoffte. 

„So schade das ist, es ist halt zu Ende“, meinte Merkel nach den für die Zuschauer bisweilen quälenden 60 Minuten. Aber „ich komme ja wieder“ schloß sie. War das als Drohung zu verstehen?