© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

CD-Kritik: Christoph Willibald Gluck
Jarousskys Orfeo
Jens Knorr

Komponisten stehen mit der Werktreue auf Kriegsfuß! Unentwegt passen sie ihre Kompositionen aufführungspraktischen Erfordernissen, stimmlichen Möglichkeiten ihrer Sänger, Wünschen von Auftraggebern und Publikum an. Zwölf Jahre nach ihrer Wiener Uraufführung richtet Christoph Willibald Gluck im Jahre 1774 seine berühmte Reform-oper für das Hoftheater des Palazzo Reale, Neapel, ein. Er reduziert die Orchestrierung, ändert Rezitative, implantiert zwei fremdkomponierte Nummern. Vor allem aber greift er auf seine eigene Umarbeitung der – ursprünglich für einen Alt-Kastraten geschriebenen – Partie des Orfeo für einen Sopranisten zurück.

Das ermöglicht Philippe Jaroussky, gleichfalls Sopranist, endlich seine Wunschpartie zu singen, und uns, Glucks Dramma in musica neu zu hören. Jaroussky singt mit fadenfeinem seelenvollem Ton und eingebetteten Auszierungen den vielleicht verletzlichsten, zerbrechlichsten Orfeo der Aufnahmegeschichte. Damit Sänger und Rolle der dramatischen Übermacht von Kindgott (Emöke Baráth), Gattin (Amanda Forsythe), Furien und seligen Gestern (Coro della Radiotelevisione swizzera) und ihrer Musik (I Barocchisti) nicht rettungslos unterlägen, tariert Diego Fasolis die widerstreitenden Kräfte stilsicher aus.

Jaroussky singt die Ohnmacht des Mannes Orfeo, von der alle Macht der Musik ausgeht.

Gluck Orfeo ed Euridice Erato 2018  www.warnerclassics.com