© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

In Alarmbereitschaft
Migranten im Brennpunkt Bosnien: Balkan-Behörden registrieren starke Zunahme
Christian Rudolf

Auf den verschiedenen Balkanrouten braut sich gewaltiger Migrationsdruck auf die Grenzen des Schengen-Raums zusammen. Die neue, weiter westlich gelegene Route führt von Griechenland durch Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und ein schmales Stück Kroatien, bis mit Slowenien das Schengen-Gebiet erreicht ist. Nach Kenntnis der deutschen Behörden ist die Zahl der irregulären Grenzüberschreitungen viel höher als im Vorjahr.

Bis zu 150 Einreisen nach Bosnien täglich

Die neue Route über den Westbalkan wird stark frequentiert. Was mit dem engmaschigen Schleusernetz zusammenhängt und damit, daß Griechenland sich kaum an den vor gut zwei Jahren geschlossenen „Flüchtlingspakt“ zwischen der EU und der Türkei hält. Von dort sickert beständig Nachschub ein. Statt wie vereinbart die Migranten in Auffanglagern auf den vorgelagerten Inseln festzuhalten, bringen griechische Stellen sie aufs Festland. Von dort reisen die Migranten, in der Hauptsache Syrer, Iraker, Afghanen, schnell Richtung Zentraleuropa weiter. Nach einem Lagebild des Auswärtigen Amtes landeten zwischen November und April 13.941 Migranten auf griechischen Inseln an, 11.600 wurden in diesem Zeitraum aufs Festland gebracht.

Auch das Innenministerium in Berlin hat alarmierende Erkenntnisse über seit Jahresbeginn stark gestiegene illegale Grenzübertritte auf dem Westbalkan. Im Brennpunkt Bosnien-Herzegowina, wo die Routen aus Albanien/Montenegro sowie aus Serbien zusammenlaufen, seien bis einschließlich April 3.500 Migranten festgestellt worden, davon 1.100 bei unerlaubter Einreise. „Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben sich die Feststellungen im Bereich der unerlaubten Einreise verzwölffacht“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Insbesondere seit Anfang Mai sei ein „nochmaliger deutlicher Anstieg“ von unerlaubten Einreisen zu verzeichnen. Nach Angaben der bosnisch-herzegowinischen Grenzpolizei sollen bis zu 150 Migranten bei der unerlaubten Einreise festgestellt werden – pro Tag. Dazu kommt die Dunkelziffer der Nichtertappten.

Nach Schätzungen der Polizeien der Balkanländer sind auf den verschlungenen Wegen zwischen Griechenland und Slowenien derzeit 80.000 Migranten unterwegs, wobei das Gros von 60.000 der meist männlichen Einzelreisenden noch in Griechenland steckt. Diese Zahlen wurden auf der Sicherheitskonferenz der Balkanstaaten in Sarajevo vor zwei Wochen kommuniziert. Daß dieses Treffen der Innenminister aller Balkanländer sowie der Amtskollegen aus Österreich und Griechenland zustande kam, zeigt, wie ernst die Lage empfunden wird. Der einhellige Tenor lautete denn auch: ein Massenansturm wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Die Staaten längs der Route wollen ihre Zusammenarbeit vertiefen und den Austausch von Informationen verflüssigen. Zur besseren Erfassung der Migranten soll eine biometrische Datenbank entstehen, die mit EU-Systemen kompatibel ist. Österreich wird am 26. Juni mit Hunderten Polizisten und Soldaten die Abwehr eines simulierten Flüchtlingsansturms auf den größten Grenzübergang zu Slowenien in Spielfeld üben.