© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Nichts aus der Geschichte gelernt
Christdemokratische Kulturkämpfer für den Islam: Für Ruprecht Polenz sind Muslime die neuen Juden
Wolfgang Müller

Die CDU, eine unter christlicher Flagge segelnde Partei, ist unter dem Vorsitz einer Pastorentochter bereits lange vor dem Willkommenssommer 2015 zum Motor der Islamisierung Deutschlands geworden. Zugleich trägt deren Regierungspersonal die Hauptverantwortung für den größten Zustrom an Judenfeinden, den Europas Annalen verzeichnen. Für prominente jüdische Autoritäten wie den Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt steht daher außer Frage, daß vom importierten „muslimischen Antisemitismus“ für die Juden Westeuropas weitaus größere Gefahr ausgehe als vom autochthonen „Rechtsradikalismus“ (Die Welt vom 28. Mai 2018).

In der CDU reagiert man auf diese Expansion islamischer Judenfeindschaft auf unterschiedliche Weise. Dort, wo die Partei mit den Grünen in Länderregierungen sitzt, wird das Problem bislang überwiegend genauso ignoriert wie im Kanzleramt. Eine Minderheit hingegen glaubt allen Ernstes, es durch „integrationsfördernden Familiennachzug“ in die bestehenden islamischen Parallelgesellschaften lösen zu können, wie jüngst der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und treue Merkelianer Daniel Günther seinen erfolglosen Vorstoß im Bundesrat motivierte.     

Nicht zuletzt aufgrund sich häufender Attacken auf junge jüdische Bürger in Schulen und im gesamten öffentlichen Raum erleidet diese Strategie gerade Schiffbruch. Und deshalb beginnt das Offensichtliche, ihre objektive Begünstigung des Antisemitismus, ihr  Anteil am muslimischen Terror, ihre Schuld an der sich anbahnenden zweiten Vertreibung der Juden aus Deutschland, der höheren Funktionärsebene lästiger zu werden. Mit dem Mut zur Lächerlichkeit schreckt die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer darum nicht einmal vor allerbilligster Demagogie zurück und schiebt den Schwarzen Peter der AfD zu, die sie als Urheber einer ominösen „antisemitischen Stimmung“ hierzulande anklagt.

Philippika gegen die AfD

Solche Nebelkerzen brennt die Christenpartei seit geraumer Zeit ab. Angriff ist in diesem eskalierten Kulturkampf  eben die beste Verteidigung, sagte sich folglich auch einer von Kramp-Karrenbauers Amtsvorgängern, der Münsterländer Ruprecht Polenz. Der 2013 aus dem Bundestag ausgeschiedene, aber weiterhin höchst umtriebige CDU-Mann, bekannt als lautester Trommler für den EU-Beitritt der Türkei, ist als Vorsitzender der Christlich-Muslimischen Friedensinitiative und als Kuratoriumsmitglied in der Christlich-Islamischen Gesellschaft der Prototyp des Islamlobbyisten in seiner Partei. 

Für den Islam warb der Jurist Ende 2017 denn auch in seiner Festrede anläßlich der Verleihung des Freymuth-Preises an den 87jährigen einstigen SDS-Aktivisten Reinhard Strecker. Mit dem Islam hat der für Verdienste um die Aufarbeitung des NS-Unrechts verliehene Preis eigentlich nichts zu tun. Doch Polenz nutzte die im westfälischen Hamm gehaltene Laudatio zur Philippika gegen den „völkischen Populismus“ der AfD. Und wie Kramp-Karrenbauer schwang er dabei die Antisemitismus-Keule. Allerdings mangelte es ihm wie seiner Generalsekretärin an verwertbaren Beweisen für die Judenfeindschaft der „Populisten“-Partei. Doch Polenz wußte sich zu helfen, indem er kurzerhand Muslime zu den neuen Juden erklärte und zugleich Islamkritik mit dem Odium des Rassismus und Antisemitismus versah. Zu diesem Zweck ernannte er Thilo Sarrazin zum Wiedergänger Heinrich von Treitschkes. Der habe 1879 ausgerufen: „Die Juden sind unser Unglück.“ Von Sarrazin aktualisiert, laute diese Parole heute: der Islam gehöre nicht zu Deutschland, „Muslime sind unser Unglück“ (Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte, 18/2017).   

Vor dem Einzug der AfD in den Bundestag wären solche unappetitlichen Hetzreden, zumal im immer irgendwie vom politisch korrekten Komment geprägten Honoratiorenmilieu der Provinz, nicht als anstößig empfunden worden. Wenn Polenz Sarrazins Islamkritik mit der Judenkritik eines wilhelminischen Professors gleichsetzt, für den die „Judenfrage“ übrigens keine Rassenfrage war, weil er sie ganz simpel durch „Integration“ konvertierter Juden in die christliche Mehrheitsgesellschaft für lösbar hielt, dann mußte er schon deshalb Widerspruch nicht fürchten, weil niemand in diesen ohnehin kosmopolitisch timbrierten Kreisen über soviel historische Bildung verfügte, die ihn zu einem mit sozialer Isolation bedrohten Widerspruch gereizt hätte.

Gleichstellung verharmlost den Antisemitismus

Erst der vom AfD-Einzug in den Bundestag begünstigte politische Klimawandel, fort von der Willkommens-, hin zur Abschiedskultur, ermuntert nun Angehörige des Establishments, Haßpredigern wie Polenz öffentlich in die Parade zu fahren. Der Opponent heißt, nomen est omen,  Tillmann Krach, ist Rechtsanwalt in Mainz, promoviert 1990 mit einer Monographie über „Jüdische Rechtsanwälte in Preußen“, Vorsitzender des Vereins Forum Anwaltsgeschichte, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in der Anwaltschaft auf seriöser wissenschaftlicher Grundlage „historisches Bewußtsein zu schaffen, zur Identifikation anzuregen“ und auf begrüßenswert-altmodische Weise „aus der Geschichte lernen“ zu wollen.

Krach, sehr engagiert auch für die regionale deutsch-jüdische Erinnerungskultur in Mainz, benötigt für seine Replik auf die „geschichtsvergessene Vereinfachung“, wie er Polenz’ Klitterung höflich nennt,  exakt eine Seite (Journal der Juristischen Zeitgeschichte, 1/2018). Zunächst verweist er darauf, daß viele Muslime dem Antisemitismus „nicht gerade abgeneigt“ seien. Ihre von Polenz suggerierte Gleichstellung mit diskriminierten Juden führe folglich in die Irre, verharmlose den Antisemitismus und denunziere die Islamkritik. Parallelen, wie sie Polenz’ Argumentation bemühe, ließen mithin nicht einmal einen „gewissen historischen Tiefgang“ erkennen, ein Makel, den man selbst Politikern nicht verzeihe.

Wichtiger ist Krach ein fundamentaler, aus dem Studium deutsch-jüdischer Geschichte sich ergebender Unterschied zwischen Juden und Muslimen. Die in Deutschland lebenden Juden haben die Grundlagen des demokratisch-liberalen Verfassungsstaates nicht nur nie in Frage gestellt, „sie haben sich vielmehr in ihrer Mehrzahl für diese Staatsform vehement eingesetzt, weil sie einen Schutz vor religiöser Diskriminierung bot und gleiche Rechte für alle Staatsbürger garantiert“. In ihrer „ganz großen Mehrheit“ seien deutsche Juden daher „assimiliert“ gewesen, was nicht zwingend bedeutete, den eigenen Glauben zu verleugnen.

Obszöne Instrumentalisierung

Im Gegensatz dazu verweigerten die von Treitschke anvisierten und auch vom jüdischen Bürgertum verachteten „Ostjuden“ die Assimilation und schotteten sich in einer Parallelgesellschaft ab. Aber selbst diese orthodox-gläubigen Integrationsverweigerer „haben nie die Auffassung vertreten, die Regeln für das gesellschaftlichen Miteinander seien nicht von der Verfassung, sondern durch die Religion vorgegeben, sie hätten sich also etwa in Fragen der schulischen Erziehung, im Ehe- und Familienrecht, aber auch im Strafrecht nicht an staatliche Vorgaben zu halten, sondern an die Vorschriften eines religiösen Kodex.“ Wie dies aber eine Mehrheit der Muslime in der Bundesrepublik glaube. Und erst recht gab es keine Juden, die für ihren Glauben einen mit Gewalt gegen alle „Ungläubigen“ durchzusetzenden Alleinherrschaftsanspruch propagierten, „wie es die Islamisten bekanntlich tun“. 

„Genau differenzieren ist das allererste“, was aus der Geschichte zu lernen sei. Da Ruprecht Polenz dies nicht tue, sei sein Versuch, „Kritik am (politischen) Islam“ mit Judenfeindlichkeit oder gar dem Vernichtungsantisemitismus auf eine Stufe zu stellen, zum Scheitern verurteilt (Journal der Juristischen Zeitgeschichte, 1/2018). Kürzer und schärfer ist die grundsätzliche Problematik der obszönen christdemokratischen Instrumentalisierung der jüdischen Leidensgeschichte im Interesse der Islamförderung nicht auf den Punkt zu bringen.