© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Angela auf Geisterfahrt
Asylpolitik und Transferunion: Bundeskanzlerin Merkel treibt die Spaltung Europas weiter voran
Michael Paulwitz

Die Endphase der Kanzlerschaft Angela Merkels steigert sich auch auf der außenpolitischen Bühne zum absurden Theater. Erst liefert sich die Kanzlerin in Meseberg dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron aus, der die Gunst der Stunde nutzt, um dem Traum von der totalen Transferunion einen großen Schritt näher zu kommen. Dann drängt sie auf ein Brüsseler Asyl-Gipfelchen mit „willigen“ EU-Partnern vor dem Gipfel, um bi-, tri- oder sonstwie-laterale Absprachen zu erbetteln, die sie ihrem Rivalen Horst Seehofer als Erfolg verkaufen kann. Dabei beißt sie erwartungsgemäß auf Granit. Selbst die vorfabrizierte Abschlußerklärung muß sie auf Druck der Italiener kassieren – und will trotzdem „viel guten Willen“ und „ein großes Maß an Gemeinsamkeiten“ gesehen haben.

Der Flurschaden, den die Kanzlerin im Ringen um ihr Amt auf den letzten Metern anrichtet, ist beträchtlich. Skrupellos verfeuert sie bisher noch gehaltene außen- und europapolitische Positionen und unterschreibt erhebliche Finanzierungs- und Haftungszusagen auf Kosten der deutschen Steuerzahler, um sich innenpolitische Atempausen im parteitaktischen Konkurrenz- und Überlebenskampf zu verschaffen. Derweil häufen sich auch in einst linientreuen Medien bereits die politischen Nachrufe. 

Die von Macron und Merkel publizierte „Meseberger Erklärung“ enthält Zeitbomben und Sprengfallen in Serie. Für die Illusion deutsch-französischer Gemeinsamkeit im „europäischen“ Herangehen an die Asyl- und Migrationskrise hat die Kanzlerin dem französischen Präsidenten den Verzicht auf letzte deutsche Verteidigungslinien gegen den EU-Zentralismus auf dem Frühstücks-tablett serviert.

Zentraler Sündenfall ist der Einstieg in ein Eurozonen-Budget. Macron drängt auf den eigenen Haushalt für die Euro-Gruppe, weil er den Zugriff auf zusätzliche Finanzmittel braucht, um seine Wahlversprechen einzulösen. Die Zweckdefinition des Budgets – „Konvergenzförderung“, „Investitionen“ in „Innovation“ und „Stabilisierung bei schweren Wirtschaftskrisen“ – öffnet breiten Spielraum für willkürliche Subventionsverteilung und die Zementierung einer Transferunion.

Dabei ist unerheblich, daß das „Eurozonen-Budget“ zur Beschwichtigung der deutschen Steuerzahler zunächst wohl eher bescheiden ausgestattet werden soll. Ist der Tabubruch erst einmal vollzogen, kann jederzeit draufgesattelt werden. Entscheidend ist, daß erneut beträchtliche Haushaltsmittel dem Kontroll- und Budgetrecht der nationalen Parlamente für ein supranationales Gremium entzogen werden sollen und durch zusätzliche Umverteilungstöpfe beträchtliche neue Kredit- und Haftungsrisiken aufgehäuft werden.

Das alles hat die Kanzlerin, erpreßbar geworden durch ihre Fakten und Folgeprobleme starrsinnig ignorierende migrationspolitische Rechthaberei, sich für das Linsengericht rhetorischer Unterstützung Macrons für ihre Asylpolitik abhandeln lassen. Die von beiden wortreich beschworene europäische Gemeinsamkeit ist jedenfalls weder durch die „Meseberger Erklärung“ noch durch das Brüsseler Asylpalaver vorangebracht worden.

Im Gegenteil: Merkel treibt im Endkampf um ihre „Willkommenspolitik“ die Spaltung Europas noch stärker voran. Die weitere Zentralisierung und supranationale Verselbständigung der Eurozone ist nicht nur ein Affront gegen die nord- und osteuropäischen Nicht-Euro-Staaten; auch bei den stabileren Euro-Mitgliedsländern der genannten Regionen regt sich Widerstand gegen den Merkel-Macronschen Umverteilungsturbo. 

Die genannten Staaten werden die deutsch-französischen Pläne kaum widerspruchslos durchwinken; zu groß ist der – in diesem Fall segensreiche – Ansehensverlust der deutschen Regierungschefin; zu überholt die Vorstellung, eine „deutsch-französische Achse“ könnte noch immer im Alleingang den Takt vorgeben.

Das Ausmaß der Sprachlosigkeit und die Tiefe der Gräben, die Merkels Willkommenspolitik durch Europa gezogen hat, brachte das auf Wunsch der Kanzlerin hastig einberufene Asyl-Sondertreffen in Brüssel ans Licht. Macron redet wie Merkel, handelt aber im nationalen Eigeninteresse, weist Illegale an der italienischen Grenze ab und verwehrt, ebenso wie Malta, Italien und nach einem kurzen Intermezzo auch wieder Spanien, humanitären Schleusern die Hafeneinfahrt. 

Italien will Migranten loswerden statt zurücknehmen und will wie Österreich und Dänemark illegale Migration am liebsten schon an der afrikanischen Gegenküste unterbinden. Die mitteleuropäischen Visegrád-Staaten und die meisten Osteuropäer haben sich an dem Brüsseler Alibi-Zirkus zur innenpolitischen Rettung einer angeschlagenen deutschen Kanzlerin gar nicht erst beteiligt. 

Solange Deutschland den vom humanitären Größenwahn besessenen „Hippie-Staat“ gibt, geltendes Recht nicht anwenden will und mit seiner Politik des „Alle dürfen bleiben und jeder wird versorgt“ als Hauptmagnet für illegale Einwanderung nach Europa wirkt, hat offenkundig niemand in den europäischen Hauptstädten Interesse, mit Berlin sinnlose Vereinbarungen zu treffen. Man nimmt, was Merkel in ihrer Verzweiflung anbietet, und kümmert sich im übrigen um eigene Interessen.

Dabei ließe sich ein gemeinsamer europäischer Nenner in der Asylpolitik schon finden: Abschottung der Außengrenzen gegen unerwünschte Einwanderung, präventives Vorgehen gegen Migrationsströme, Schlepper und Schleuser, bessere Kontrolle der Binnenmigration.

Es ist die asylpolitische Geisterfahrerin Angela Merkel, die einer „europäischen Lösung“ – im Sinne der Nationalstaaten und nicht der globalistischen Brüsseler Nomenklatura – als Haupthindernis entgegensteht. Je länger es dauert, bis sie von der Brücke geholt wird, desto größer der Schaden für Deutschland und Europa.