© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

„Wir stehen für einen tiefgreifenden Wandel“
Parteinahe Stiftung: Die Desiderius-Erasmus-Vorsitzende Erika Steinbach wünscht sich vom AfD-Parteitag eine Entscheidung / Kritik am Vorgehen der Konkurrenz
Christian Vollradt

Frau Steinbach, die Debatte um eine parteinahe Stiftung der AfD ist zur unendlichen Geschichte geworden. Wie zuversichtlich sind Sie, daß die Sache nun auf dem Parteitag abschließend entschieden wird?

Steinbach: Der AfD und ihren grundsätzlichen Anliegen würde es guttun, wenn dieses Dauerthema auf dem Parteitag endlich entschieden wird. Alle Argumente liegen auf dem Tisch. Es gibt überhaupt keinen plausiblen Grund, am Wochenende nicht zu entscheiden.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Querelen hatten als Ursache vor allem persönliche Eitelkeiten. Täuscht das? 

Steinbach: Es sind leider nicht nur persönliche Eitelkeiten. Zunehmend kann ich mich des beunruhigenden Eindrucks nicht erwehren, daß es der Handvoll Personen in der Gustav-Stresemann-Stiftung insbesondere um den Zugriff auf finanzielle Mittel geht. Weiter vertiefen möchte ich das hier aber nicht.

Der Bundesvorstand hat sich zugunsten Ihrer Desiderius-Erasmus-Stiftung ausgesprochen, der Parteikonvent allerdings nicht. Haben Sie das Gefühl, zwischen die Fronten innerparteilicher Machtkämpfe geraten zu sein?

Steinbach: Ja, der Bundesvorstand der AfD hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, daß die Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. auf der Grundlage eines Konsenspapiers, das die Gustav-Stresemann-Stiftung und unsere Stiftung miteinander vereinbart haben, die parteinahe Stiftung der AfD werden soll. Diesen, von unserer Seite sehr weitgehenden Kompromiß, wonach unsere Stiftung sich sogarbereit erklärt hat, die Prozeßkosten um den Namen Stresemann zu tragen, habe ich ohne Wenn und Aber auf dem Konvent vertreten. Zu meiner großen Überraschung sind aber sowohl der Vorsitzende der Stresemann-Stiftung als auch die ersten Redner des Bundesvorstandes der AfD davon abgerückt und haben alles in Frage gestellt. Daraufhin hat der Konvent verständlicherweise kein Votum abgegeben. Welche Motive dahinterstecken, darüber kann man nur spekulieren.

Nach wie vor gibt es in der AfD immer noch viele, die grundsätzlich gegen eine parteinahe Stiftung sind. Nach dem Motto: Wir kritisieren das bei den sogenannten Altparteien, also dürfen wir es nicht genauso machen. Was halten Sie dem entgegen?

Steinbach: Wenn alle anderen Parteien auf die Förderung ihrer Arbeit durch Bundesmittel verzichteten, so würde ich das sehr begrüßen. Da das aber nicht geschehen wird, kann die AfD schon aus Selbsterhaltungstrieb darauf auch nicht verzichten. Allerdings werden wir seitens unserer Stiftung keine Auslandsniederlassungen errichten, anders als zum Beispiel die CDU mit ihren rund 50 Dependancen in aller Herren Länder. Wir wollen im Geiste unseres Namenspatrons in die gesellschaftliche Breite wirken. Das alternative Lager steht für einen tiefgreifenden Wandel der politischen Anschauungen und für einen wirklichen Politikwechsel. Wenn die AfD nachhaltig aus einem Protestpotential ein inhaltlich überzeugtes stabiles Stammpotential gewinnen will, bedarf es einer überzeugenden Bildungsoffensive, die Bindungswirkung entfaltet. 

Wie sollte diese Bildungsoffensive aussehen?

Steinbach: Das relevante Feld der im weitesten Sinne politischen Bildung ist langfristig für die öffentliche Meinungsbildung fast noch wichtiger als Wahlkampfparolen. Zudem können durch eine solche Stiftung bestehende Diskursblockaden zwischen Partei, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppierungen überwunden werden. Sie schafft vielfältige Kontaktmöglichkeiten, über die die Partei nicht oder noch nicht verfügt. Ich sehe es auch als eine zentrale Aufgabe unserer Stiftung, unseren Bürgern nahezubringen, daß Deutschland mehr ist als eine Verbrauchergenossenschaft, daß es lohnt, sich für unser Vaterland einzusetzen. Der freiwillige Verzicht auf eine parteinahe Stiftung würde einen bewußten Verzicht auf dringend erforderliche Breitenwirkung über die engen Parteigrenzen hinaus bedeuten. Wer das will, kastriert sehenden Auges die Möglichkeiten und das Wachstum der AfD auf geradezu parteischädigende Weise. Eine größere Freude kann man den Gegnern der AfD überhaupt nicht machen.

Einer der Anträge plädiert dafür, auch die Gustav-Stresemann-Stiftung als parteinah anzuerkennen. Widerspricht das nicht dem Kompromiß, der zwischen beiden Trägervereinen gefunden wurde?

Steinbach: Unseren gemeinsamen Kompromiß hat die Gustav-Stresemann-Stiftung verbal ja bereits deutlich erkennbar in der ersten Konventssitzung aufgekündigt. Inzwischen hat sie das auch schriftlich dem Parteivorstand gegenüber getan, mit der wahrheitswidrigen Behauptung, unsere Stiftung hätte Vereinbarungen nicht eingehalten. Bei mir kann man sich auf eine Vereinbarung verlassen, selbst wenn ich sie nur mit einem Handschlag bekräftige. Und selbstverständlich auch, wenn etwas gemeinsam fixiert wurde. In mehr als vierzig Jahren politischer Arbeit, in denen ich mit zahlreichen, auch sehr schwierigen Verhandlungspartnern Vereinbarungen zu treffen hatte, ist mir eine derartige Dreistigkeit und Unverfrorenheit noch nicht begegnet. Die Gustav-Stresemann-Stiftung wirbt jetzt dafür, beide Stiftungen anzuerkennen. Wer dem nachgibt, will öffentlich die AfD als eine gespaltene Partei manifestieren. Das unterstütze ich auf gar keinen Fall. Eine parteinahe Stiftung hat die elementare Aufgabe, einigend zu wirken. Unsere Desiderius-Erasmus-Stiftung bildet bereits heute in ihrer Mitgliedschaft in guter Ausgewogenheit alle Lager der AfD ab. Von der Alternativen Mitte über den Flügel bis hin zur Patriotischen Plattform. Das halte ich auch für unverzichtbar. Unsere Stiftung legt Wert darauf, befriedend und und nicht spaltend bezogen auf die AfD zu wirken.

Ein anderer Antrag spricht sich für eine Vertagung aus. Nicht die Delegierten, sondern alle Parteimitglieder sollen darüber entscheiden. Was halten Sie von der Idee?

Steinbach: Wer weiterhin kontroverse Debatten in der AfD in den Medien wiederfinden will, der soll das machen. Klüger ist es, sich von diesem politischen Nebenkriegsschauplatz wieder der Tagespolitik zuzuwenden. Aber die Delegierten entscheiden letztlich, wohin schließlich der Weg geht.






Erika Steinbach war von 1974 bis 2017 Mitglied der CDU und ist seitdem parteilos. 

 www.erasmus-stiftung.de