© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Gefährdet die milliardenschwere Übernahme von Monsanto Bayer?
Riskante Altlasten
Thomas Kirchner

Monsanto ist nicht mehr. Mit der Übernahme des amerikanischen Saatgut- und Düngemittelherstellers durch Bayer wird der Markenname der 117 Jahre alten Traditionsfirma verschwinden, die einst Saccharin auf den Markt brachte. 57 Milliarden Dollar zahlt Bayer für die Fusion. Wegen Verkäufen von Firmenteilen in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe brauchte Bayer aber nur 43 Milliarden von dem von JP Morgan arrangierten Überbrückungskredit abzurufen. Diese Fusion ist bereits die dritte im weltweiten Dünge- und Saatgutmarkt: Dow Chemical und Dupont fusionierten zu DowDupont, und die chinesische ChemChina kaufte die schweizerische Syngenta. Damit ist der Markt jetzt sehr stark konzentriert, Bayer allein kontrolliert nun ein Drittel des weltweiten Saatguts.

In Europa machte Monsanto Negativschlagzeilen mit Genmais und dem Unkrautvernichter Glyphosat. Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen waren erfolgreich: Monsantos Ruf steht in Umfragen ganz unten, wo sich der Industrie- und Militärdienstleister Halliburton und Harvey Weinsteins Firma tummeln. Landwirte hingegen stimmen weiterhin mit ihrem Geldbeutel ab und ließen Monsantos Umsätze seit 2008 um 29 Prozent steigen. Verschiedene Studien stufen Glyphosat als krebserregend ein, die EU- und US-Umweltbehörden haben das Herbizid aber einst zugelassen. In diversen Zivilprozessen in den USA wollen mehr als 4.000 Kläger nachweisen, Monsanto habe absichtlich die Krebsrisiken verheimlicht und sogar wissenschaftliche Erkenntnisse beeinflußt. Der erste Musterprozeß des schwerkranken Krebspatienten Dewayne Johnson wegen Glyphosat hat am Superior Court of California County in San Francisco begonnen, ein weiterer ist für Oktober am Monsanto-Standort (Louis County, Missouri) angesetzt. Dazu kommen Klagen, die auf Umweltverschmutzung durch polychlorierte Biphenyle (PCB) vor 1979 zurückgehen. In einem solchen Fall wurde Monsanto im Mai zur Zahlung von 46,5 Millionen Dollar verurteilt. Insgesamt sind 2.200 Klagen gegen Monsanto in den USA anhängig, die Bayer erbt, Tausende weiterer in Vorbereitung.

Mit dem Ende des Namens endet nicht die Haftung. Bayer hat zwar die Wissenschaft auf seiner Seite, aufgrund der Vielzahl der Prozesse ist es aber denkbar, daß ein paar es durch die Revision schaffen. Die Kläger haben bewußt Kalifornien für den ersten Prozeß gewählt, weil die Geschworenen dort Großunternehmen gegenüber besonders negativ eingestellt sind. Die Anwaltskosten allein werden Bayer viele hundert Millionen kosten. Sollte es tatsächlich zu einer Verurteilung in letzter Instanz kommen dürfte es ein Jahrzehnt oder länger dauern, bis Bayer zahlt. Gewinner der Fusion ist jetzt schon BASF, das wegen kartellrechtlicher Bedenken die Gemüsesaatsparte von Bayer für neun Milliarden übernehmen konnte. In dem Segment sind keine Haftungsrisiken bekannt.