© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Lebensversicherer horten nicht realisierte Kapitalanlagegewinne
Unfair und unzumutbar
Henning Lindhoff

Der Vertrieb von Anlageprodukten ist für die Finanzbranche eine Geldmaschine. Die Lebensversicherungen sind dabei wichtige Zahnräder. Nun wollen die Assekuranzen die Beteiligungsreserven zusammenstreichen – zum Nachteil der Kunden. Eine Bewertungsreserve entsteht, wenn der aktuelle Marktwert der Police über dem Wert liegt, mit dem sie in der Bilanz  ausgewiesen ist. Seit der Gesetzgeber im 2008 auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2005 reagierte und festlegte, daß die Versicherten an den Bewertungsreserven beteiligt werden müssen, sehen sich die Versicherer einem gestiegenen Kapitalaufwand gegenüber.

Sie leiden unter dem aktuellen Niedrigzins und können die hohen Garantieversprechen der Vergangenheit kaum noch einhalten. 2014 reagierte der Gesetzgeber und schrieb vor, daß die Versicherer ihre Kursgewinne nur noch in dem Maße ausschütten müssen, wie die Garantiezusagen für die restlichen Versicherten sicher sind. Der Bund der Versicherten (BdV) will dies nicht mehr hinnehmen und streitet aktuell vor dem Bundesgerichtshof für ein Grundsatzurteil. In den Vorinstanzen hatte er keinen Erfolg. Der Gesetzgeber habe 2014 „gewichtige Interessen des Allgemeinwohls“ verfolgt, urteilte zuletzt das Landgericht Düsseldorf. Die „Grenze der Zumutbarkeit“ sei nicht überschritten.

In ihrem Urteil von 2005 wiesen die Verfassungsrichter aber darauf hin, daß es nicht darum gehe, die Leistungen des individuellen Versicherten zu optimieren, sondern den fairen Interessensausgleich in der Risikogemeinschaft herzustellen. Doch der BdV trifft einen wunden Punkt. Studien zeigen, daß Lebensversicherer viel zu hohe Kosten haben und zum Nachteil ihrer Kunden wirtschaften. Unabhängig vom BGH-Urteil werden die grundsätzlichen Nachteile bestehen bleiben. Lebensversicherungen sind im Vertrieb häufig intransparent. Eine in Zukunft weiter steigende Inflation wäre aufgrund der niedrigen Verzinsung und der mangelnden Flexibilität ebenfalls schädlich für die Kunden.