© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Dorn im Auge
Christian Dorn

Auf diese Steine können Sie bauen“ – mit der abgekupferten Werbebotschaft der Bausparkassen titelt der Tagesspiegel über dem Foto vom jüngsten Konzert der Rolling Stones im Berliner Olympiastadion. Dabei zeigen die Konzertaufnahmen von Mick Jagger und Keith Richards in den Zeitungen unglaublich faltige, zerknautsche Grimassen, die die bekannten parodistischen Darstellungen der zwei noch übertreffen. Dennoch gleicht es einem Wunder: Am Freitagabend stehen Hunderte Berliner, die keine Karte mehr bekommen haben, vor dem erhabenen monumentalen Stadionrund der Olympischen Spiele von 1936, etliche filmen mit ihrem Mobiltelefon die beeindruckende Kulisse, hinter der die Verheißung des Rock’n’Roll erklingt – von Musikern, die nun selbst eine weltumspannende Marke geworden sind „wie Coca-Cola, Google und Apple“ (Tagesspiegel). Indes – so die treffliche Beobachtung der Berliner Zeitung – ist es kein Konzert, von dem man noch den Kindern und Enkeln erzählen werde, „denn die waren ja dabei.“ Trotzdem seien die Stones kein bloßer Showact, „sondern ein Moment der Biographie“: man „kann sie gar nicht hören, ohne dabei sich selbst zu begegnen.“


Vor der Absperrung steht das Sicherheitspersonal in Guantánamo-farbenen Westen, darunter Polizisten mit Maschinenpistolen vor der Brust, als gelte es den Eröffnungssong „Street Fighting Man“ visuell zu untermalen. Ist dieser Auftritt wirklich „The last time“? Zumindest gilt: „You can’t always get what you want“: So scheitern alle Versuche, nach dem Konzertbeginn noch hineinzukommen. Besucher, die vorzeitig das Areal verlassen, entwerten – ohne es zu wissen – automatisch ihr Ticket, darunter eine Frau, die die Frage eines Fans außerhalb des Stadions, ob er ihr (wertloses) Ticket haben könne, verneint: „Ich bin Rechtsanwältin, da würde ich ja zur Mittäterin!“ Dem daneben liegenden angeleinten Schäferhund ist das – ausweislich seines Geschirrs – egal, denn darauf steht: „Der tut nix.“


Dabei kommt es am Ende doch auf die Stimme an. So höhnte der deutsche Fußballreporter vor der ersten WM-Partie Deutschlands, als die Mexikaner mit breiter Brust und aus voller Kehle die Hymne gesungen hatten: Zum Glück sage diese Lautstärke nichts über die Spielkünste der Mexikaner. Das Resultat ist bekannt – und hat eine Vorgeschichte: Es war wohl derselbe Reporter, der bei der EM 2012 beim Halbfinale Deutschlands gegen Italien sich über den leidenschaftlichen Gesang Balotellis belustigte, der Deutschland dann mit zwei Toren aus dem Turnier schoß.