© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Umwelt
Terror mit Todesgift
Jörg Schierholz

Im Wochentakt veröffentlicht der Generalbundesanwalt Neues von der Terrorabwehr. Daß ein 29jähriger Tunesier Metallkugeln, Angelhaken und ein Arsenal zur Sprengstoffherstellung hortet, löst daher nur begrenzt Empörung aus. Doch bei dem in Köln lebenden Sief Allah H. wurden auch 3.150 Rizinussamen sowie 84,3 Milligramm Rizin sichergestellt. Letzteres ist eine biologische Waffe, weshalb wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt wird. Rizin ist ein giftiges Protein aus den Samen des schon im Alten Testament erwähnten Wunderbaums. Das Todesgift führt – geschluckt, inhaliert oder über einen Stich zugeführt – zu Krampfanfällen, Fieber, Nierenversagen und zur Lähmung des Atemzentrums. Daß der Botanische Sondergarten in Hamburg Ricinus communis zur „Giftpflanze des Jahres 2018“ kürte, war sicher reiner Zufall. Die Verwendung als Terrorwaffe ist auch keine innovative Idee von Magreb-Islamisten.

Der Einsatz des tödlichen Rizins ist keine neue, aber eine unterschätzte Gefahr.

Bereits im Ersten Weltkrieg versuchten die USA Munition oder Feinstaub mit Rizin zu versetzen. Im Zweiten Weltkrieg waren kontaminierte Sprengsätze produktionsreif, aber der Einsatz von Phosgen erschien für die US-Rüstungsindustrie gewinnträchtiger. 1978 wurde in London der bulgarische Dissident Georgi Markow mittels Rizin ermordet (JF 13/18). Nach dem Golfkrieg 1991 wurde Rizinlösung in irakischen Depots gefunden. Auch in den USA gab es schon mehrere – allerdings rechtzeitig verhinderte – Attentatsversuche mittels Rizin. Seit dem Terrorjahr 2001 häufen sich Rizin-Alarme: Von Kabul über den Irak und Jemen bis nach London und nun Köln. Ungefährlich ist hingegen Rizinusöl, welches als Bio-Abführmittel mittels Kaltpressung gewonnen wird. Ob Sief Allah H. wegen seiner konvertierten deutschen Ehefrau bei der Bestellung der Rizinussamen auf die ökologische Herkunft geachtet hat, ist bislang nicht bekannt.