© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Die Party kann weitergehen
Europäischer Asylzirkus: Die deutsche Kanzlerin verkauft einen simplen Taschenspielertrick als Erfolg
Michael Paulwitz

Am Ende war es dann doch wieder nur ein Mäuschen, das der kreißende EU-Gipfel zur Asylpolitik gebar. Anders konnte es auch gar nicht sein. Denn außer der deutschen Bundeskanzlerin, die dringend irgendein „europäisches“ Papier brauchte, das nach Zuwanderungsbegrenzung klingt, um den aufmüpfigen eigenen Innenminister ruhigzustellen, hatte auch niemand ernsthaftes Interesse an dieser Zusammenkunft. 

Konkrete Beschlüsse wurden auf dem Treffen daher gar nicht erst gefaßt. Statt dessen verabschiedeten die Ratsteilnehmer „Schlußfolgerungen“, in denen Allgemeinheiten, unverbindliche Absichtserklärungen und vage Bestätigungen an sich längst geltender, aber faktisch kaum noch angewandter Regeln zu einem bunten Blumenstrauß zusammengebunden sind. Für die Kanzlerin ist immerhin in „Schlußfolgerung“ Nummer 11 etwas dabei: Die innereuropäische „Sekundärmigration“ vertrage sich nicht mit Schengen; die Mitgliedstaaten „sollten“ dagegen „alle erforderlichen internen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen“ treffen und „dabei eng zusammenzuarbeiten“. Derlei folgenloses Palaver kennt jeder, den es als Student mal in eine WG verschlagen hat: Man müßte mal die Küche aufräumen …

Den meisten anderen EU-Partnern kam es dagegen darauf an, sich nicht überrumpeln und keine Zwangsmigration aufschwätzen zu lassen. Deshalb ist so häufig von „rein freiwilliger Basis“ zu lesen, aufgrund derer die Einrichtung von Asylzentren in den Mitgliedstaaten, die Verteilung von Migranten auf dieselben und nicht zuletzt die der EU-Kommission so sehr am Herzen liegenden Programme zur „Umsiedlung und Neuansiedlung“ erfolgen sollen. Womit denn auch klargestellt wäre, was die EU-Kommission mit den sogenannten „Transitzentren“ eigentlich im Sinn haben könnte: beschleunigte Siedlung statt beschleunigter Zurückweisung.

Die „Freiwilligkeit“ verkündeten die osteuropäischen Regierungen zu Hause als Erfolg: Man habe festgeschrieben, daß man sich zu keiner zwangsweisen Aufnahme von Migranten nach Quote zwingen lassen müsse. Gleich drei EU-Staaten – Tschechien, Ungarn und Polen – dementierten deshalb prompt die Behauptung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie hätten die erleichterte Rücknahme von nach Deutschland weitergereisten Migranten zugesagt. 

Nichts sollte eben so aussehen, als lasse man sich ungebetene Gäste zuweisen. Das Kartenhaus der Kanzlerin, die nach dem Gipfel mit angeblich vierzehn „bilateralen Zusagen“ wedelte, die „wirkungsgleich“ mit der von Seehofer geforderten Zurückweisung von bereits in anderen EU-Staaten registrierten Asylbewerbern an der Grenze sein sollten, war damit schon zusammengefallen, bevor sie wieder nach Berlin zurückgekehrt war. Gesprochen hatte sie ohnehin vor allem mit den EU-Partnern, die mangels stark frequentierter EU-Außengrenzen als Transitland kaum betroffen sind.

Merkels Gipfelbilanz reduziert sich damit auf einen Taschenspielertrick: Unbestimmtes Gerede darüber, eigentlich laut Dublin-Verordnung längst geltendes Recht vielleicht künftig etwas öfter und zügiger anzuwenden, verkauft sie als Durchbruch und „europäische Lösung“.

Vollends zur Groteske geraten ist der „Kompromiß“, den die Unions-Parteichefs Merkel und Seehofer daraufhin ausgekungelt haben, um noch etwas länger an ihren Sesseln kleben zu können. „Transitzentren“ in Grenznähe sollen auf einmal möglich sein. Nur muß man die illegalen Migranten überhaupt erst einmal dorthin bekommen. Dabei gibt es so viele Schlupflöcher, daß das Alarmgeheule der linksgrünen Asyllobby sich erübrigen dürfte. Erfaßt und abgewiesen werden nämlich nur in anderen Ländern registrierte Asylbewerber. Lösung für Illegale: Sich einfach gar nicht mehr im Land des Erstkontakts mit der EU registrieren lassen. 

Systematische Kontrollen finden zudem nur an einigen ausgewählten bayerischen Grenzübergängen statt; es ist ja Wahlkampf, und auf den zielt das ganze CSU-Manöver. Wer sich also weiterhin ins Land schleichen und dauerhaften Aufenthalt ersitzen will, kann das über die Schweiz und Baden-Württemberg tun. Oder über Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, wo die Merkel-Paladine Laschet und Günther die Landesregierung führen und von Grenzkontrollen rein gar nichts halten. Oder von Österreich aus einfach einen kleinen Umweg über Tschechien machen.

Man kann es förmlich hören, das Gelächter in den europäischen Staatskanzleien, wo man über die komischen Deutschen den Kopf schüttelt, die sich an ihre gescheiterte „Willkommenskultur“ klammern. Die sich weigern, den großen Asyl-Magneten abzustellen – großzügige Sozialleistungen, Bleiberecht für faktisch jeden, der es über die Grenze schafft und „Asyl“ sagen kann, die Narrenfreiheit, Staat und Gesellschaft beliebig auf der Nase herumzutanzen, inbegriffen – und bei den anderen Europäern darum betteln, ihnen einen Teil der Gäste ihrer Freibier-Party abzunehmen, als ob diese überhaupt ein Interesse daran hätten, sich in anderen EU-Ländern niederzulassen.

Dort hat man nämlich längst auf Abschreckung umgeschaltet. Mit scharfen Asylgesetzen und konsequenten Zurückweisungen wie in Dänemark. Mit nationalen Grenzschließungen und einer Agenda für starken und präventiven Schutz der EU-Außengrenzen wie Österreich. Mit Nulltoleranzpolitik gegen die Schleuser sogenannter „Nichtregierungsorganisationen“, deren Schiffe in Italien und Malta beschlagnahmt und die Anführer vor Gericht gestellt werden.

So ist es in Wahrheit Deutschland selbst, das einer europäischen Lösung der Migrationskrise im Wege steht. Die kann nach Lage der Dinge nur als Summe konzertierter nationaler Maßnahmen funktionieren. Solange die Merkel-Seehofer-Truppe sich mit Alibi-Inszenierungen am Ruder hält, wird Deutschland der Clown im europäischen Asylzirkus bleiben.