© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Machtkampf der Unions-Schwestern
Die einsame CSU
Dieter Stein

Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin im Bundestag, erinnerte angesichts des Hauens und Stechens zwischen CDU und CSU an die Aussage Alexander Gaulands vom Bundestagswahl-Abend: „Wir werden sie jagen.“ Tatsächlich kann gerade jetzt so deutlich wie nie beobachtet werden, was der Einbruch der AfD auf breiter Front in das herkömmliche Parteiensystem und die Parlamente bedeutet. 

Mit den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im kommenden Oktober wird die Etablierung der AfD in allen Bundesländern abgeschlossen sein. Warum ist die Nervosität nun so hoch? Mit Bayern wird nach den jetzigen Umfragen die letzte Bastion auf Länderebene fallen, in der überhaupt noch eine Partei mit absoluter Mehrheit regieren kann.

Früher waren CDU und CSU wirklich einmal eine Schicksalsgemeinschaft. Die Lehre vom gescheiterten Kreuther Trennungsversuch von 1976 war, daß die CSU ihren Anspruch auf Alleinvertretung in Bayern sofort verlieren würde, weil sie im Gegenzug einen CDU-Landesverband kassierte, der den gemäßigten Flügel der Partei abzöge. Zum Ausgleich für die dauerhafte Selbstbeschränkung der CSU akzeptierte die CDU, daß die Bayern immer eine Spur schärfer, konservativer auftraten und damit auch bundesweit den Anspruch der Union markierten, die „rechte Flanke“ abzusichern.

Die Sicherung dieser Flanke wurde unter der Führung von Merkel systematisch untergraben. Das Abräumen traditioneller Unions-Positionen, der Ausstieg aus der Kernenergie, Abschaffung der Wehrpflicht, Zustimmung zur Homo-Ehe sind dafür Stichworte. Zur Geburtsstunde der AfD wurde die abenteuerliche Euro-Rettungspolitik und schließlich die Grenzöffnung für illegale Massenmigration im Herbst 2015. 

Früher galt die CSU als Garant hoher Gesamtergebnisse der Union im Bund. Warum glaubt Merkel darauf verzichten zu können? Warum ließ sie die CSU im aktuellen Asyl-Streit in einer an Brutalität grenzenden Härte spüren, daß die Schwesterpartei in ihrem Machtgefüge eine zu vernachlässigende Größe darstellt? Ein Blick auf die Länderkammer zeigt: Die CDU ist an acht Landesregierungen beteiligt, die Grünen an neun. Die neun Landesregierungen, an denen die Grünen als Koalitionspartner Anteil hat, stellen im Bundesrat 37 von 69 Sitzen und damit die Mehrheit. 

Die Grünen stabilisieren in vier Bundesländern Regierungen, an denen die CDU beteiligt ist. Allein für diese Minister, Staatssekretäre, Funktionäre ist das freundliche Einvernehmen mit der Grünen-Führung wichtiger als der Überlebenskampf der renitenten Schwesterpartei in Bayern. Und so wird wegen kurzfristiger Machtoptionen mit den Grünen lieber der weitere Vormarsch der AfD billigend in Kauf genommen. Vielleicht gibt es zum Ausgleich irgendwann ja sogar eine neue Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/CDU.