© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Privat statt Staat?
Bundeswehr: Die bundeseigenen Panzerwerkstätten sollen verkauft werden / Das paßt nicht jedem
Hans Brandlberger

Die deutschen Landstreitkräfte haben ein ehrgeiziges Ziel vor Augen: „Vollausstattung“ mit Waffensystemen. Bevor es soweit ist, werden aber noch fast 15 Jahre vergehen, sofern überhaupt die benötigten Finanzmittel zur Verfügung stehen. Deutlich schneller soll die desaströse Einsatzbereitschaft des Materials verbessert werden. Nach den Vorstellungen der Bundeswehr kommt hierbei dem Unternehmen mit dem sperrigen Namen „Heeresinstandsetzungslogistik GmbH“ (HIL) eine wesentliche Rolle zu. Im Kern war ihm diese bereits bei seiner Gründung im Jahr 2005 zugedacht. Mit einer im Rückblick als aberwitzig erscheinenden Euphorie wurde seinerzeit ein „Paradigmenwechsel in der Materialerhaltung“ verkündet. Man wolle, so hieß es im Beraterjargon, ein „Dienstleistungssystem und Netzwerk mit modernen und zukunftsfähigen industrieüblichen Verfahren und Methoden der Unternehmensführung“ schaffen und dabei natürlich „eine durchgängige Kosten- und Leistungstransparenz für die Bundeswehr“ gewährleisten. Hinter diesen blumigen Worten verbarg sich eine recht profane Intention. 

Die Instandsetzungstruppe des Heeres schleppte immer noch den Ballast des Kalten Krieges mit sich, der nun, da man nur noch von Freunden und Verbündeten umgeben wäre, nicht mehr benötigt würde. Drei Instandsetzungswerke (in Sankt Wendel, Darmstadt und Doberlug-Kirchhain) sowie zehn Niederlassungen mit jeweils mehreren Stützpunkten wurden aus dieser üppig bemessenen Infrastruktur in die als Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) konstruierte HIL eingebracht, in der ein Konsortium aus den Unternehmen Industriewerke Saar (Diehl Gruppe), Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall mit 51 Prozent die Mehrheit hatte. Gefallen an dieser Lösung fand das Verteidigungsministerium nicht zuletzt, weil sie ihm einen angenehmen Taschenspielertrick erlaubte. Die ambitionierten Ziele im Abbau insbesondere des zivilen Personals ließen sich auf normalem Wege kaum erreichen. Da war es praktisch, an die HIL knapp 2.200 Beschäftigte abstellen zu können, die zwar weiter vertraglich an die Bundeswehr gebunden blieben, aus ihrem Personalbestand aber herausgerechnet werden konnten. Für die verbliebene Instandsetzungstruppe des Heeres wurde lediglich eine „Mindestvergabe an Instandsetzungsleistungen“ vorgesehen. De facto konnte damit nur noch Ausbildung betrieben werden.

Erhoffte Einsparungen    blieben aus

Der in der rot-grünen Episode unter Rudolf Scharping ausgebrochenen Begeisterung, man könne durch Kooperation mit der Wirtschaft in Beteiligungsgesellschaften die Bundeswehr von nicht genuin militärischen Aufgaben entlasten und nebenbei auch noch Kosten sparen, folgte sehr bald die Ernüchterung. Zwar gelang es tatsächlich, die Bundeswehr auf einigen Gebieten besser auszustatten – zum Beispiel mit zeitgemäßer Büro-IT und vorzeigbaren zivilen Dienstfahrzeugen. Die zuvor errechneten Einsparungen wollten sich aber partout nicht einstellen. Bei der HIL kamen wettbewerbsrechtliche Fragwürdigkeiten hinzu. Das Bundeskartellamt monierte, daß die drei marktstarken zivilen Gesellschafter Aufträge der von ihnen dominierten ÖPP-Gesellschaft an sich selbst vergäben. Die Bundeswehr kam rechtlichen Weiterungen zuvor, indem sie zunächst die unternehmerische Kontrolle über die HIL und anschließend die Anteile der Partner übernahm. Seit Anfang 2013 ist sie eine Eigengesellschaft des Bundes.

Bereits heute reicht die HIL das Gros der Instandsetzungsprojekte an die Industrie weiter. Das Volumen der in den eigenen Werken bearbeiteten Aufträge wird auf unter 30 Prozent geschätzt. Diese Tendenz wird sich verstärken. Der zum 1. Januar 2018 geschlossene Vertrag „Folgelösung HIL“ geht davon aus, daß sich die Gesamtstundenzahl der von dem Unternehmen zu veranlassenden Materialerhaltungsmaßnahmen von derzeit zwei Millionen auf sechs Millionen Stunden im Jahr 2027 verdreifacht. Nach den Vorstellungen des Verteidigungsministeriums soll sich die HIL dabei in Zukunft auf die Steuerung der Instandsetzung konzentrieren. Die drei Werke, in denen sie diese derzeit mit etwa 1.000 Facharbeitern noch selbst betreibt, sind zum Verkauf ausgeschrieben. 

Für die Rüstungsindustrie scheinen sie interessant zu sein. Nach Jahren der Flaute auf dem heimischen Markt wittert sie Wachstum und sucht nach Möglichkeiten, ihre Kapazitäten gerade auch im lukrativen Wartungsgeschäft auszuweiten. Ob die Ausschreibung tatsächlich in einen Verkauf mündet, ist allerdings offen. Betriebsräte opponieren gegen das Vorhaben. Ihnen ist es gelungen, eine kleine Medienkampagne zu entfachen und die Verteidigungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion vor ihren Karren zu spannen. Die Kritik richtet sich zum einen gegen kühne Berechnungen des Ministeriums, nach denen durch die Privatisierung in den nächsten 20 Jahren insgesamt 181 Millionen Euro eingespart werden könnten. Von diesen wurden schon einmal vorab 42 Millionen Euro für Rechtsanwälte und Unternehmensberater ausgegeben, die das Ausschreibungsverfahren begleiten – ein Luxus, den man sich seit der Ära von Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder gönnt, um hinsichtlich juristischer Kompetenz auf Augenhöhe mit der Wirtschaft zu sein und politischen Schaden von der Leitung des Ministeriums abzuwenden. Darüber hinaus wird kritisiert, daß die Bundeswehr durch die Privatisierung noch weiter an technischer Expertise verlieren würde. 

Allerdings ist dies auch ohne einen Verkauf der drei Werke kaum abzuwenden. Die Belegschaft ist überaltert. Die bis Mitte der kommenden zwanziger Jahre anstehenden Pensionierungen müßten schleunigst durch Personalnachwuchs aufgefangen werden. Die bisherigen Erfahrungen nähren allerdings nicht die Hoffnung, daß ein Eigenbetrieb des Bundes diesen erfolgreicher rekrutieren kann als ein privatwirtschaftliches Unternehmen.