© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Von Aufforstungen ist nicht viel zu erwarten
Nicht veränderte Landnutzung, sondern nur Verzicht auf fossile Energie kann den CO2-Anstieg in der Atmosphäre stoppen
Christoph Keller

Die durch verfeuerte fossile Energieträger verursachten CO2-Emissionen behaupten immer noch das Monopol in öffentlichen Debatten um die Erderwärmung (JF 2718). Die Geographin Julia Pongratz, die am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI) eine Forschungsgruppe leitet und an der LMU München Physische Geographie lehrt, möchte das ein klein wenig ändern.

Den Klimawandel treibe der Mensch nämlich nicht nur voran, indem er Öl und Kohle verbrenne, sondern auch indem er Wälder rode, Äcker bewirtschafte und Vieh züchte. Der von diesen Aktivitäten ausgehende „Kahlschlag am Klima“ sei um so beachtenswerter als im Lauf der Geschichte auf einem Viertel der Kontinentalflächen die natürliche Vegetation vernichtet worden sei und die Menschheit aktuell 24 Prozent der jedes Jahr nachwachsenden pflanzlichen Biomasse für sich beanspruche. Ein Drittel des jemals vom Menschen freigesetzten Kohlendioxids, rechnet Pongratz vor, lasse sich auf Veränderung der ursprünglichen Vegetation zurückführen.

Übergang vom unberührten zum bewirtschafteten Wald

In Brasilien spielten Landnutzungsemmissionen sogar eine größere Rolle als fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle. Ursache sei nicht allein die Verwandlung von Wäldern in Weideflächen. Weil es in der Land- und Forstwirtschaft zahlreiche Variable gebe – Düngung, Bewässerung, Erntezyklus –, wirke sich nämlich bereits ein Bewirtschaftungswechsel klimatisch aus. Wie frühere Studien Pongratz’ beweisen, kann der Übergang vom unberührten zum bewirtschafteten Wald regional bis zu zwei Grad Celsius Erwärmung hervorrufen (Max Planck Forschung, 1/18).

Weil rasante Bevölkerungszunahme zu noch intensiverer Land- und Forstwirtschaft nötigen werde, sollte der auf fossile Emissionen fixierte Klimaschutz solche Prozesse mehr beachten. Zumal viele Aspekte des Landmanagements bisher nicht in die Klimamodelle des Deutschen Klimarechenzentrums in Hamburg eingeflossen sind. Nur verbesserte Modelle, so hofft sie, geben Handlungsanweisungen zur Eindämmung der Erderwärmung. Deswegen studiert ihr Team Effekte der Forstbewirtschaftung. Wie wirkt sich etwa die Artenauswahl im Wald auf das Klima aus? Beispielsweise seien die in Europa bevorzugten Nadelbäume, weil ihr Anteil am Sonnenlicht, das ins All reflektiert wird, ohne die Atmosphäre zu erwärmen, geringer ist als der von Laubbäumen, „nicht die besten Arten, um den Klimawandel abzumildern“. Generell sei aber von Aufforstungen nicht viel zu erwarten. Der bis 2100 prognostizierte Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 3,7 Grad werde sich selbst bei optimaler Wiederbewaldung damit nur auf 3,4 Grad Celsius reduzieren.

„Empfehlungen für die Politik“ will die Trägerin der Otto-Hahn-Medaille  schon deshalb nicht geben, weil ihre Forschungen bislang nicht erwiesen, ob veränderte Landnutzung „überhaupt zur Abschwächung des Klimawandels“ tauge. Sicher stoppen könne man den CO2-Anstieg eben nur durch Totalverzicht auf fossile Energieträger.

 mpimet.mpg.de