© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Der Flaneur
Der gute Geist der Skaterbahn
Paul Leonhard

Häufig ist Kurt schon da, wenn die Schüler und Auszubildenden kommen. Er sitzt am Rand der Skaterbahn, läßt die Beine baumeln: ein kräftiger älterer Mann mit weißem Bürstenhaarschnitt, Brille und Manchesterhosen. Neben sich hat er seine Verpflegung ausgebreitet: Brot, Margarine, Wurst, Käse, eine Thermosflasche. Wer will, kann gern zulangen. Und mitunter tun die Jungen und Mädchen das, aber meistens stellen sie lediglich ihre Rucksätze in seiner Nähe ab, legen Knie- und Gelenkschützer an, setzen Helme auf und tummeln sich auf der Bahn.

Ich weiß nicht, was Kurt früher in seinem Arbeitsleben gemacht hat, aber seit ein paar Jahren ist er quasi der gute Geist der Skaterbahn. Schon wenn er mal mißbilligend seinen Kopf schüttelt, reicht das aus, zu übermütig gewordene Jugendliche zu disziplinieren.

Wer sich über Kurt lustig macht, wird mit einem Ellenbogenstoß zurechtgewiesen.

Nur selten ist das nötig. Ich bewundere seit geraumer Zeit die gegenseitige Rücksichtsnahme von Inline-, Skateboard- und BMX-Fahrern auf der Bahn. Alle bekommen hier ihre Chance, ängstliche Sechsjährige, vorwitzige 15jährige und abgeklärte Endzwanziger. Die noch wackligen Anfänger ebenso wie die Profis, die atemberaubende Saltos schlagen und, ja auch das kommt vor, mitunter hart auf der Betonfläche aufschlagen. Dann humpeln sie, ihren Schmerz verbeißend, zu Kurt, um sich auf der Bank ihre Blessuren anzuschauen und um ihm, einem Buddha gleich zu erkläutern, warum der Trick diesmal nicht geklappt hat und was sie beim nächsten Mal besser machen werden.

Zur Tradition gehört inzwischen auch, daß Kurt, wenn die Sonne untergeht und es Zeit wird heimzugehen, sich einen der klappbaren Roller ausborgt. Dann fährt das Schwergewicht, sich mit einem Fuß vom Boden abstoßend, eine langsame Runde um die Bahn. Wer da grinst, soviel ist klar, ist offensichtlich neu und bekommt von den Stammgästen einen schmerzhaften Ellenbogenstoß in die Rippen, selbst wenn er einen Kopf größer ist.