© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Klimawandel
Betreutes Denken
Horst-Joachim Lüdecke

Konrad Adam ist ein bekannter, wortgewaltiger Journalist. Doch eines ist er mit Sicherheit nicht. Er ist kein Klimawissenschaftler und auch nicht interessierter Laie. Und das deswegen nicht, weil er jegliche Beschäftigung mit dem komplexen Thema Klimawandel und dessen eventuellen Ursachen ablehnt. So geschah es vor einigen Jahren anläßlich eines E-Mail-Wechsels mit dem Verfasser, und so ist es noch heute. O-Ton Adam in dieser Zeitung: „Tatsächlich braucht man keine Wissenschaft, um den euphemistisch so genannten Klimawandel zu erkennen und seine Folgen abzuschätzen.“

Dank dieser Haltung eines seine Fähigkeiten überschätzenden Intellektuellen landet Autor Adam dann, wenn wohl auch ungewollt, prompt im Abseits. Denn er weiß nichts von dem, worüber er schreibt. Denn was er zu erkennen glaubt, sind – vom Schmelzen der Alpengletscher einmal abgesehen – Wetterphänomene. Deren Daten sind zwar unverzichtbare Grundlage jeder Klimastatistik, jedoch müssen sie laut Weltorganisation für Meteorologie (WMO) über mindestens 30 Jahre gesammelt und ausgewertet werden, besser 60 oder gar 90 Jahre, wie es viele Fachleute fordern. Das nicht zu wissen, ist ein typischer Laienfehler, der nicht nur von Journalisten begangen wird.

Und dann macht er noch einen zweiten typischen Fehler: Er unterstellt, daß eine Korrelation zwischen zwei Phänomenen die Herleitung  einer echten Ursache-Wirkungs-Beziehung ersetzt. Er unterstellt damit, daß das gleichzeitige und mehr oder weniger gleichlaufende Auftreten zweier Prozesse erkennen läßt, welcher von den beiden Ursache und welcher Wirkung ist. Dem ist aber nicht so! Eine enge Korrelation gibt daher bestenfalls einen Hinweis auf eine eventuell bestehende Ursache-Wirkungs-Beziehung, ist aber keineswegs als deren Ersatz zu werten.

Somit sagt uns auch der nur kurze Gleichlauf der CO2-Konzentration und der globalen Mitteltemperatur nichts darüber, ob das eine das andere ursächlich bedingt. Bis heute ist keine Wirkungsbeziehung von mehr CO2 zu höheren Erdtemperaturen durch Messungen belegt. Nur der umgekehrte Fall, nämlich CO2-Ausgasung bei höheren Meerestemperaturen, ist gesichert. Hier führt also die Temperatur das CO2, nicht umgekehrt.

Zurück zu den Alpen. Konrad Adam weiß also ganz sicher: Die Alpengletscher schmelzen, das sieht schließlich jeder. Und damit hat er recht. Ihm ist auch bekannt, daß sich das Klima schon immer verändert hat. Mehr weiß er aber nicht, denn er schreibt sinngemäß weiter: Dieser heutige (Klima-)Wechsel vollzog sich früher in kleinen Schritten und erstreckte sich über lange Zeit, im Gegensatz zum bedrohlichen Ausmaß von heute. Man fragt sich, wie ein Journalist, zu dessen Berufstätigkeit ordentliche Recherche gehören sollte, zu einer solch falschen Einsicht gelangen kann, ohne über den wichtigsten Bereich, die Klimavergangenheit, zu recherchieren? Das hätte ihm gezeigt, daß die Klimaänderungen der letzten 150 Jahre weder an Stärke noch an Geschwindigkeit ungewöhnlich sind, im Gegenteil. Dies beweisen alle Proxydaten – das sind Klimadaten wie beispielsweise Temperaturen, die indirekt aus Analysen von Baumringen, Stalagmiten, Eisbohrkernen und Sedimenten gewonnen werden. Aber es gibt auch noch Thermometerwerte und Niederschlagsdaten, die recht lange zurückreichen. Die längste ist die mittelenglische Temperaturreihe (CET). Sie beginnt 1659. Sucht man in dieser Reihe die stärksten Temperaturanstiege über 30 oder 60 Jahre, wird man im 18. Jahrhundert fündig, als es noch gar keinen nennenswerten menschengemachten CO2-Ausstoß gab. Die jüngst vergangenen Jahrzehnte liefern hingegen eine glatte Fehlanzeige.

EIKE ist eine völlig unabhängige, private Denkfabrik, die sich mit Klima und Energie beschäftigt. EIKE ist als gemeinnützig anerkannt und überdies strikt überparteilich. All das hätte ein kurzer Anruf seitens Herrn Adam bei EIKE geklärt. Er unterblieb.

Und natürlich schmelzen die Alpengletscher, aber sie fingen damit bereits Mitte des 19. Jahrhunderts an. Das bestätigen die Fachliteratur, aber auch die historischen Bücher des Deutschen Alpenvereins. Zu dieser Zeit gab es aber praktisch noch kein menschengemachtes CO2. Die Gletscherforscher Hanspeter Holzhauser (Universität Bern) und Gernot Patzelt (Universität Innsbruck) bestätigen außerdem, daß die Alpengletscher seit Ende der letzten Eiszeit überwiegend weiter zurückgezogen waren als heute. Beweise sind uralte Baumreste, die regelmäßig von heute schmelzenden Gletscherzungen freigelegt werden und einst höhere Baumgrenzen bezeugen.

Wenn dies Herrn Adam immer noch nicht ausreicht, sei er hier kurz mit den berühmten und der Wissenschaft völlig rätselhaften Dansgaard-Oeschger-Ereignissen bekanntgemacht. Schon einmal, vor grob 23.000 bis 110.000 Jahren, gab es Temperatursprünge von bis zu 10° C innerhalb eines Menschenlebens – heute fürchtet man Zehntelgrade in gleichen Zeiträumen. Es gibt aber keine Garantie, daß solch riesige natürliche Klimasprünge in Zukunft ausgeschlossen sind.

Bestimmt kennt Konrad Adam auch das IPCC, gern „Weltklimarat“ genannt. Das hat in seinem letzten Bericht AR5 im Kapitel 2.6 die Extremwetterdaten seit 1950 ausgewertet  und findet in diesen Daten nichts Außergewöhnliches. Weder eine zunehmende Häufigkeit noch zunehmende Stärken von Hurrikanen, Hagel, Stürmen, Starkregen oder Dürren. Auch Überschwemmungen waren früher stärker, alle historischen Flußpegel Europas, die im Internet dokumentiert sind, zeigen dies.

Im übrigen waren Warmzeiten für die Menschheit immer gute Zeiten. In der starken Holozän-Warmzeit, etwa 4.500 v. Chr., deren Temperaturen die aktuellen Werte weit übertrafen, wurden die Schrift, der Pflug, das Rad und Bewässerungssysteme erfunden. Kalte Zeiten waren hingegen immer schlechte Zeiten. Die daraus resultierende Not der Menschen zum Beispiel in der Kleinen Eiszeit zeigen die berühmten Winterbilder zeitgenössischer holländischer Meister.

Und dann zeigt Herr Adam noch seine Abneigung gegen das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE), indem er längst widerlegte Behauptungen in Umlauf bringt, die nur als gewollte Diffamierungen gewertet werden können. Oft werden sie bei Wikipedia abgeschrieben und dann als Ersatz für eigene Recherchen verwendet. Ein Fehler, der keinem Journalisten  unterlaufen sollte. Denn die Fakten sind andere. EIKE ist eine völlig unabhängige, rein private Denkfabrik, die sich mit den Themen Klima und Energie beschäftigt. In Wahrnehmung dieser Aufgaben und dank seiner Organisation ist EIKE als gemeinnützig anerkannt und überdies strikt überparteilich. All das hätte ein kurzer Anruf seitens Herrn Adam bei EIKE geklärt. Er unterblieb.

Man sollte nun annehmen, daß dies alles leicht zu Recherchierende eigentlich jedem Journalisten mit neutralem Urteilsvermögen ausreichen müßte – doch weit gefehlt. Denn Adam schreibt in der JUNGEN FREIHEIT wörtlich: „Der Verweis auf die Wissenschaft sticht schon deshalb nicht, weil sie anderen Gesetzen unterliegt als die Politik. Entscheidungen im Zustand der Unsicherheit zu treffen ist für den Politiker, anders als für den Wissenschaftler, nicht Ausnahme, sondern Regel.“

Menschengemachtes CO2 gehört nicht zu den Gefahren für die Menschheit, im Gegenteil. Etwas mehr CO2 fördert das Wachstum insbesondere von Nahrungspflanzen und hat auch bei 20fach höheren Konzentrationen der Erde noch nie Schaden zugefügt.

Wissenschaft sticht nicht? Was meint er damit? Sollen wir wieder zurück zum Schamanentum? Oder meint er, Politiker sollten nur noch nach Augenschein und freiem Glauben entscheiden? Das kann nicht sein Ernst sein. Wir leben schließlich in Zeiten wissenschaftlich begründeter Aufklärung. Was also sollen Politiker tun? Konrad Adam weiß es offenbar nicht. Daher sei es hier klipp und klar formuliert: Sie müssen sich nach bestem Wissen und Gewissen über die naturwissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Grundlagen ihrer späteren Entscheidung informieren und erst dann nach ihrem besten Wissen entscheiden.

Die Praxis sieht leider anders aus. Wissenschaftsnähe ist häufig komplette Fehlanzeige. Oft herrscht unverfälschter Ökoglaube, und wissenschaftlicher Fortschritt wird insgeheim als bedrohlich angesehen. Diese Haltung hat auch auf große Teile der Parteien abgefärbt. Ein Beispiel ist die Energiewende. Viele Politiker haben zudem Übung darin, eigene Sachrecherche zu vermeiden und statt dessen einem oft windigen Lobbyisten oder Wissenschaftsadvokaten Vertrauen zu schenken. Die Klimaforschung ist voll davon, denn die Fleischtöpfe sind hier besonders gut gefüllt. Mit Klima-Angst lassen sich beste Geschäfte machen.

Natürlich darf bei dieser Aufzählung die AfD nicht vergessen werden. Der Leser mag von dieser Partei halten, was er will, eines aber steht fest: Ihre Vertreter befolgen die oben formulierte Regel des eigenen Nachdenkens und Recherchierens für Politiker mustergültig und ziehen sich allein dadurch Haß und Neid der anderen Parteien zu.

Herr Adam hat von all dem oben Gesagten freilich nichts verstanden. Er glaubt dem Augenschein. Doch der Augenschein zeigt, daß die Erde eine Scheibe ist und der Mond ebenso. Oft ist der Augenschein richtig, oft aber auch nicht. Um das zu klären sind wissenschaftliche Methoden unverzichtbar. Doch das ist Adams Sache nicht, er lehnt sie sogar ab. Und damit wird sein völlig unpassender Vergleich von Masseneinwanderung mit Klimawandel, den er seinen Lesern in der letzten Spalte seines Beitrags antut, völlig entwertet. Es ist reine Spekulation. Menschengemachtes CO2 gehört jedenfalls nicht zu den Gefahren für die Menschheit, im Gegenteil. Etwas mehr CO2 fördert das Wachstum der meisten Pflanzen, insbesondere von Nahrungspflanzen und hat auch bei bis zu 20fach höheren Konzentrationen in der Klimavergangenheit noch niemals der Erde Schaden zugefügt. Insbesondere bei höchsten CO2-Konzentrationen boomte das Leben, und die Weltmeere waren nicht versauert.

Konrad Adam mag ein guter Politik- und Kulturjournalist sein, als Autor von naturwissenschaftlichen Themen ist er verständlicherweise eine Fehlbesetzung. Betreutes Denken, das sich anstelle eigenen Nachdenkens fragwürdiger Ökoideologie und des Mainstreams bedient, ist zwar heute in Mode. Es wird aber immer deutlicher, daß es zu allem anderen als gutem Journalismus führt.






Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke, Jahrgang 1943, ist Pressesprecher des Europäischen Instituts für Klima und Energie e. V. (EIKE).Der diplomierte Physiker wurde 1975 Professor für Informatik und Operations Research an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Nach seiner Emeritierung (2008) veröffentlichte er populärwissenschaftliche Bücher und begutachtete wissenschaftliche Fachaufsätze zur Klimaforschung.

Foto: Dünnschliff eines Eiskerns aus antarktischem Meereis in einer Mikroskopansicht unter polarisiertem Licht (Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven): Klimadaten, wie man sie aus Analysen von beispielsweise Eisbohrkernen gewinnt, zeigen, daß die Klimaänderungen der letzten 150 Jahre alles andere als ungewöhnlich sind