© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Anhand von „Gewaltmigration“ das Eigene dekonstruieren
Lernziele im Deutschunterricht
(dg)

Deutschlehrer, die das Thema „Flucht und Vertreibung“ ihren Schülern nahebringen wollen, fänden dazu in den literarischen Verarbeitungen der Geschichte Ostdeutschlands und Ostmitteleuropas nach 1945 reichlich Stoff. Sie könnten damit, in historisch abgeklärter Distanz, auch „jenseits der Aufgeregtheiten des medialen und politischen Diskurses“ zur gegenwärtigen Masseneinwanderung nach Europa bleiben, wie die Redaktion der Zeitschrift Der Deutschunterricht (1/2018) dies anregt. Da aber die Schüler auf diese Weise im Unterschied zu der heutigen auch „Asyltouristen“ umfassenden Migrantenschar mit wirklichen Kriegsflüchtlingen konfrontiert würden, bleibt dieser Opfergang im Themenheft zum „Gewaltmigrationsgeschehen“ seit dem 19. Jahrhundert ausgespart. Stattdessen wird empfohlen, sich dem „Fluchtnarrativ“ in einem Roman der Exil-Iranerin Mehrnousch Zaeri-Esfahani, dem „Umgang mit dem Fremden“ in Kleists „Erdbeben in Chili“ oder der „Wanderschaft“ in Joseph Roths Erzählung „Hiob“ zu widmen. Und zwar, um diesseits aktuell leider „rechtspopulistisch“ kontaminierter Debatten pädagogisch gegenzusteuern. Lernziel soll sein, „den Blick zu weiten“, um „vorschnelle mehrheitsgesellschaftliche Positionen des ‘Eigenen’ zu hinterfragen“ und „essentialisierende“, also „stigmatisierende Zuschreibungen des ‘Anderen’ zu dekonstruieren“. 


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