© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Glaubwürdige Distanzen
Anette Schultner über das Christsein in der AfD
Thorsten Brückner

Ihr Ausscheiden war ein schwerer Schlag für das bürgerliche Gesicht der AfD. Ausgerechnet die Vorsitzende der „Christen in der AfD“ schmiß im Oktober 2017 kurz nach der niedersächsischen Landtagswahl das Handtuch. Der Grund: immer offenere Radikalisierungstendenzen in ihrer Partei. Wer mehr über Anette Schultners Beweggründe erfahren will, für den ist ihr Buch „Konservativ. Warum das gut ist“ eine Pflichtlektüre. 

Auffallend ist darin vor allem der Ton, den Schultner anschlägt. Anders als der Leser es vielleicht hätte erwarten können, ist die Publikation keine wütende Abrechnung einer Enttäuschten. Vielmehr benennt Schultner in sachlichem Ton die Mißstände und sieht die Schuld daran keineswegs ausschließlich bei ihrer Ex-Partei. Auch viele Medien, die die AfD von Anfang an in die rechtsextreme Ecke gedrängt hätten, trügen eine Mitverantwortung daran, daß gemäßigte Stimmen in der Partei zusehends das Nachsehen hatten. 

Für ihren früheren Co-Vorsitzenden bei den „Christen in der AfD“, das heutige Bundesvorstandsmitglied Joachim Kuhs, findet Schultner warme Worte. Es ist gerade jene menschliche Größe, die das Buch so lesenswert und glaubwürdig macht. Gleichzeitig wirft Schultner berechtigte Fragen auf. Etwa, wie christlich die AfD eigentlich noch ist. Daß es viele in der Partei gibt, die christliche Werte mit Hohn und Spott quittieren, wie Schultner ausführt, wird manch bürgerlichen Wähler sicher nachdenklich stimmen. 

Gewinnbringend sind auch die vielen autobiographischen Teile des Buches. Sie zeigen, wie das frühere CDU-Mitglied nach einem langen Entfremdungsprozeß von ihrer Partei überhaupt bei der AfD landete. Und wie sie später mit sich und ihrer neuen Partei rang. Wie so vieles in ihrem Leben war ihr Austritt das Ergebnis einer Gewissensentscheidung. Völlig überflüssig ist dagegen das zweite Kapitel des Buches „Was ist Konservatismus und wer sind seine Gegner“. Leser ohne Freude an schwerfälliger Lektüre können diese Seiten getrost überspringen. Unter dem Strich ist Schultner mit ihrem Erstlingswerk aber eine sehr lesenswerte Publikation gelungen, die nicht nur für AfD-Mitglieder und Ex-Mitglieder, sondern für alle Konservativen einen schönen Mehrwert liefert.

Anette Schultner: Konservativ. Warum das gut ist. Verlag SCM Hänssler, Holzgerlingen 2018, gebunden, 192 Seiten, 16,95 Euro