© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Der Ball liegt jetzt in Karlsruhe
Gerichtsentscheid in Schleswig: Kataloniens Ex-Präsident Carles Puigdemont darf nach Spanien ausgeliefert werden
Thorsten Brückner

Vergangene Woche blickte die Welt erneut nach Schleswig. Die Richter am dortigen Oberlandesgericht hatten über die Auslieferung des ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont zu befinden. Und sie senkten ihre Daumen. Der von der spanischen Justiz angeklagte Separatistenführer darf nach Madrid überstellt werden. Allerdings nicht wie vom verantwortlichen Richter am Obersten Gerichtshof in Spanien, Pablo Llarena, gefordert, wegen Rebellion, sondern nur wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder. 

Die Entscheidung des Gerichts hatte sich in den Monaten seit Puigdemonts Festnahme auf der A7 bei Schleswig am 25. März angekündigt. Eine Auslieferung wegen Rebellion sei „von vornherein ausgeschlossen“, erklärten die Richter damals. Um so überraschender wurde daher von manchen Beobachtern die Freude der katalanischen Regierung über das Urteil aufgenommen.

Puigdemont bleibt auf freiem Fuß

 „Eine gute Nachricht“, nannte Puigdemonts Nachfolger Quim Torra die Kunde aus Deutschlands Norden. Auch Puigdemont zeigte sich auf Twitter erfreut. „Wir haben die Hauptlüge des Staates besiegt. Die deutsche Justiz hat es verneint, daß das Referendum am 1. Oktober eine Rebellion war.“ Dennoch droht Puigdemont bei einer Auslieferung nach Spanien das Gefängnis. Bis zu fünf Jahre könnte er wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder hinter Gitter wandern. 

Das, obwohl der damalige Finanzminister Cristóbal Montoro bereits bestätigt hat, was Politiker der Unabhängigkeitsparteien immer wieder beteuert hatten: „Ich weiß, daß kein öffentliches Geld eingesetzt wurde“, sagte Montoro der Zeitung El Mundo. Kein einziger Euro sei vom Budget der Regionalregierung abgezweigt worden. Ein Gutachten der Guardia Civil widersprach Montoro. Das letzte Wort über die Auslieferung hat das Bundesverfassungsgericht. Puigdemonts Anwälte haben bereits angekündigt, in der Sache das höchste deutsche Gericht anzurufen. Bis zu einer Entscheidung könnten erneut Monate vergehen. Zeit, in der sich auch das politische Klima in Spanien weiter entspannen könnte.

 Madrid steht nach dem Urteil der Schleswiger Justiz vor einem Dilemma. Akzeptieren sie die Überstellung, darf Puigdemont in Spanien nur wegen Veruntreuung der Prozeß gemacht werden. Gleichzeitig sind Puigdemonts Mitstreiter in Spanien wegen Rebellion angeklagt. Zahlreiche spanische Journalisten haben deshalb bereits Zweifel angemeldet, ob es der Bevölkerung vermittelbar wäre, Minister und Bürgerrechtler wegen Rebellion für 30 Jahre wegzusperren, aber den Anführer der Bewegung nur für fünf Jahre wegen eines vergleichsweise harmlosen Delikts in den Bau zu schicken. 

Laut übereinstimmenden Berichten renommierter spanischer Medien soll sich Llarena bereits für eine Rücknahme des europäischen Haftbefehls entschieden haben. Somit wäre Puigdemont frei, nach Belgien zurückzukehren. Dies hatte er bei seiner ersten Pressekonferenz auf deutschem Boden im April in Berlin angekündigt. Als mögliche Option gilt aber auch, daß Llarena die Rücknahme des Haftbefehls mit einer Beschwerde gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof  verbindet. 

Bis zu einer endgültigen Entscheidung darf Puigdemont – anders als von der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig Holstein gefordert – weiter auf freiem Fuß bleiben. Er habe sich stets an alle Auflagen gehalten, lautete die Begründung des Gerichts dafür. Seine Unterstützer haben unterdessen in der katalanischen Hauptstadt Barcelona für seine bedingungslose Freilassung demonstriert. 110.000 Unabhängigkeitsaktivisten waren am Wochenende deswegen auf der Straße.