© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

„Den Bestand direkt gehäckselt“
Landwirtschaft: Dürre und Starkregen bringen erhebliche Ernteausfälle / Diskussion um Hilfen für Bauern
Christian Schreiber

Katharina Schulze hat interkulturelle Kommunikation studiert und hält sich für ein Allround-Talent. So schändete die Hobbyhistorikerin 2013 mit ihrem Fraktionskollegen Sepp Dürr das Trümmerfrauen-Denkmal in München – ihr Argument: „Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Alt-Nazis.“ Nun will die 33jährige ganz große Räder drehen: Die Grünen kümmerten sich nicht nur um die Rettung der Bienen „als Symbol für mehr Artenschutz“, sondern „natürlich kämpfen wir gegen die Erderwärmung, die auch ganz konkret Bayern betrifft, wie sich an der Dürre in Nordbayern zeigt“, sagte die gern im Dirndl „Made in Bavaria“ auf Wählerfang gehende Landtagsspitzenkandidatin.

Eine der schlimmsten Trockenperioden

Was sie dabei konkret für die von herben Ernteausfällen betroffenen Bauern tun will, verriet sie der Welt nicht. Doch der trockene Sommer stellt die Bauern nicht nur in Franken vor extreme Probleme. Der Deutsche Bauernverband (DBV) verlangt finanzielle Hilfe für Landwirte: „Wir werden erneut eine Ernte haben, die weit unter dem Durchschnitt liegt. Einige Betriebe haben wegen der Dürre nicht geerntet, sondern den Bestand direkt gehäckselt“, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Die Getreideernte werde wohl nur bei 41 Millionen Tonnen liegen. 2014 waren es noch 52 Millionen Tonnen gewesen.

Waldbrände, massive Ernteausfälle und dahinwelkende Straßenbäume prägen das Bild in weiten Teilen Mitteldeutschlands, wo derzeit eine der schlimmsten Trockenperioden seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen vor 137 Jahren herrscht. Aufgrund der generell schwierigen Wetterlage der vergangenen Monate hat es einen außergewöhnlich frühen Erntebeginn gegeben. Nach einem zu nassen Winterhalbjahr ist es seit Mai viel zu trocken. Die Körner des Getreides seien häufig nicht ausreichend gereift, klagt der DBV. 

Temporär auftretende Gewitter hätten die Lage kaum verbessert. „Lokale Starkregenereignisse von bis zu 100 Litern innerhalb einer Stunde konnten die ausgetrockneten Böden nicht aufnehmen“, erläuterte Rukwied im Spiegel. Wo es trocken bleibe, reiche vielerorts ein Funke, um ein ganzes Feld in Brand zu setzen. Zahlreiche Hektar seien bereits den Flammen zum Opfer gefallen.

Auch die deutschen Obstbauern erwarten eine geringere Ernte. Sorgen machten vor allem Äpfel und Pflaumen in Anlagen, die nicht bewässert werden, hieß es vom Gartenbauverband. Das Landvolk Niedersachsen rechnet beispielsweise bei der diesjährigen Getrei­deernte mit Einbußen von rund 20 Prozent. „Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt“, sagte Landvolk-Sprecherin Gabi von der Brelie.

Im Südwesten Deutschlands geben sich die Landwirte dagegen entspannt. Trockenheit und Wärme hätten zwar für eine ungewöhnlich zeitige Getreideernte gesorgt, die Probleme hielten sich aber in Grenzen. „Wir sind drei Wochen früher dran als sonst, das hatten wir noch nie“, sagte der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt. Diese Erfahrung in seinem Betrieb werde von vielen Landwirten in Rheinland-Pfalz und dem Saarland geteilt.

Trotz der ungewöhnlichen Witterung in einem „Jahr ohne Frühling“ mit einem fast nahtlosen Übergang vom Winter zum Sommer sei die Ernte in Menge und Qualität gut ausgefallen, wobei es allerdings regionale Schwankungen gebe. „Bei allen Schwierigkeiten, die wir haben, muß man zufrieden und dankbar sein, wenn man sich die katastrophalen Meldungen aus Nord- und Ostdeutschland anschaut“, erklärte Hartelt gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. 

Aus Nordrhein-Westfalen kamen ähnliche Meldungen. „Daß wir von Trockenschäden ausgehen müssen, ist ganz klar“, bestätigt auch Uwe Spangenberg, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer. Allerdings könne der Ertrag selbst bei nebeneinander liegenden Feldern sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob es einen Schauer mitbekommen hat oder nicht. Die Situation sei daher nicht so dramatisch wie in anderen Teilen Deutschlands.

Drohen Avancen von Finanzspekulanten?

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) kann keine Hoffnung verbreiten – im Gegenteil: DWD-Vize Paul Becker riet auf dem „Deutschen Bauerntag 2018“ dazu, sich auf mehr Sommer- und weniger Frosttage einzurichten. Es gebe einen „ungebrochenen Trend“ zur Erwärmung in Deutschland. Die Jahresmitteltemperatur sei seit 1881 um 1,4 °C gestiegen. Habe es von 1961 bis 1990 im Schnitt 130 Wintertage gegeben, seien es in den Jahren bis 2017 nur noch 103 gewesen. Eventuell sei künftig sogar der Anbau von mediterranen Pflanzen möglich. Da es aber auch mehr Niederschläge im Winter und weniger im Sommer gebe, müsse über bessere Bewässerung nachgedacht werden.

Die Sommerhitze erhöht auch die Waldbrandgefahr. Die FDP-Fraktion im Bundestag forderte deshalb, Wälder teilweise zu sperren. „Eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe oder eine im Wald abgestellte Glasflasche reichen schon aus, um große Waldflächen in Brand zu setzen“, sagte der forstpolitische Sprecher der Fraktion, Karlheinz Busen, der Passauer Neuen Presse. Tatsächlich können in Brandenburg die Forstbehörden ab Waldbrandgefahrenstufe 4 den Wald für Besucher sperren, wenn dies zum Schutz des Waldes oder seiner Besucher notwendig ist. Davon wird jedoch nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht.

 Ob es aktuell Entschädigungen für die dürrebetroffenen Landwirte gibt, darüber streiten sich die Verantwortlichen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte, daß für Hilfsmaßnahmen bei regionalen Extremwetterereignissen die Länder zuständig seien. Eine erste Bilanz der Schäden kündigte Klöckner für August an.

Der Deutsche Bauernbund (DBB), in dem sich kleinere Familienbetriebe zusammengeschlossen haben, forderte ein schnelles Handeln. „Viele Betriebe werden nach der Ernte finanziell so stark angeschlagen sein, daß sie für Avancen von Finanzspekulanten empfänglich sind. Es handelt sich nicht um Investoren, sondern um Kapitalanleger, denen die Sicherung von flüssigem Finanzkapital in Grundstücken wichtiger ist als die Rendite. Die Landesregierungen müssen sofort alles unternehmen, damit diesen Spekulanten über das Agrarstrukturentwicklungsgesetz das Handwerk gelegt wird“, so DBB-Chef Kurt-Henning Klamroth.

In einem offenen Brief an Ministerin Klöckner und die Ministerpräsidenten der östlichen Bundesländer forderte der DBB ein Zehn-Punkte-Programm mit Sofortmaßnahmen und langfristigen Korrekturen der Agrarpolitik. Der brandenburgische DBB-Verband warnte allerdings vor direkten Dürrehilfen, weil diese den Wettbewerb verzerrten. „Sie retten risikofreudige Unternehmer, die sich aufgrund übermäßiger Investitionen in Schwierigkeiten befinden, und bestrafen damit alle Bauern, die sparsam und fleißig gewirtschaftet haben. Sie lösen kein strukturelles Problem“, erklärte DBB-Vorstand Jens Gerloff dem Radiosender RBB.

Reden beim „Deutschen Bauerntag 2018“:  www.bauernverband.de/

Vorschläge des Deutschen Bauernbundes für ein „Notstandsprogramm Ernte 2018“:  www.bauernbund.de