© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/18 27. Juli / 03. August 2018

Ersatz für die Wirklichkeit
Öffentlich-rechtliche Sendeanstalten: Das Bundesverfassungsgericht erklärt den Rundfunkbeitrag für rechtmäßig
Christian Schreiber

Der Rundfunkbeitrag ist weitestgehend verfassungsgemäß. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 18. Juli entschieden und lediglich den Beitrag für eine Zweitwohnung verworfen. 

Die Menschen zahlten für die Möglichkeit, Rundfunk zu empfangen. Damit kommt es auch in Zukunft nicht darauf an, ob jemand überhaupt ein Empfangsgerät besitzt. Als Grundlage der Zahlungsverpflichtung dient das Innehaben einer Wohnung, da dort der Medienkonsum typischerweise stattfinde. Auf scharfe Kritik ist hierbei besonders die Argumentation gestoßen, der Gesetzgeber müsse „keinen Wirklichkeitsmaßstab wählen, sondern kann auch einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde legen“. Ein Gesetzgeber, der nicht an die Wirklichkeit gebunden ist, sondern einen Ersatz heranzieht? „Das muß den Bundesverfassungsrichtern erst einmal jemand nachmachen“, kommentiert Welt-Journalist Torsten Krauel sarkastisch.

Aus einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden hatte das Gericht vier Kläger ausgewählt, bei deren Fällen es um grundsätzliche Entscheidungen ging. Auf öffentliches Interesse stieß auch die Klage des Autovermieters Sixt, der nach eigenen Angaben innerhalb eines halben Jahres 1,4 Millionen Euro an den Beitragsservice zahlt. Der Beitrag wird für jede Filiale erhoben, ist zusätzlich aber auch auf jeden Mietwagen mit Radio fällig. Die Richter sahen darin keinen Verstoß. 

Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm sprach von einem „sehr guten, wegweisenden Urteil“. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte, dies sei ein „guter Tag“ für den Rundfunk. Auch der Deutsche Journalisten-Verband begrüßte die Entscheidung, von der „die öffentlich-rechtlichen Anstalten in gleichem Maß profitieren wie Tausende von Journalisten, die für ARD, ZDF und Deutschlandradio tätig sind“. Die AfD, die sich als einzige im Parlament vertretene Partei für eine Abschaffung der von ihr als „Zwangsgebühr“ bezeichneten Abgabe ausspricht, erklärte, das Urteil sei vorhersehbar gewesen. 

Der Spruch der Karlsruher Richter wirft auch neue Fragen auf, vor allem hinsichtlich der Zweitwohnungen. „Es wird eine Einzelfallprüfung erfolgen müssen. Wie viele Wohnungen das betreffen kann, können wir heute noch nicht abschätzen“, sagte die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) der dpa. Mit „Ferienwohnungen, Datschen oder Wohnungen, die Eltern für ihre studierenden Kinder mieten“, gäbe es „eine ganze Reihe unterschiedlicher Konstellationen“.