© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/18 27. Juli / 03. August 2018

Doch nicht gänzlich „historisch überlebt, unangenehm, ja widerlich“
Ernst Moritz Arndt als Denkangebot
(wm)

Nach endlosen Querelen hat sich die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald in diesem Frühjahr von ihrem Namenspatron „befreit“ (JF 5/18). Für den bundesdeutschen Staatstorso, der das Land in jedermanns Siedlungsgebiet verwandelt, ist es nur konsequent, wirklich alle Schiffe zu verbrennen, mit denen sich eine Verbindung zur 1.000jährigen Überlieferung herstellen ließe. Der Greifswalder Literaturwissenschaftler Gunnar Müller-Waldeck findet diese Geschichtsentsorgung, die der Vergangenheit verweigert, was sie als Gegenwart besaß, „die Fülle möglicher Zukunft, die Freiheit, die Endlichkeit, die Widersprüchlichkeit“ (Thomas Nipperdey), im Prinzip gut. Denn zu viele „Denk- und Schreibansätze“ würden bei diesem Streiter gegen die französische Fremdherrschaft und für die deutsche Einheit „ins historisch Überlebte, Unangenehme, ja Widerliche“ abgleiten und vielerlei sei von „ideologischen Vorurteilen und monarchistisch-antidemokratischen Vorurteilen durchtränkt“ (Sinn und Form, 3/2018). Trotzdem erinnert er sich anhand eines das Nomadenvolk der Lappen „vorurteilsfrei“ würdigenden Kapitels in Arndts „Schwedenreise“ (1806) daran, daß Menschen früher anders dachten als heute. Diese Binsenweisheit wäre daher als „dialektischer Stachel“ und „produktives Denkangebot“ zu nutzen, um die Akte Arndt zur Wiedervorlage vorzubereiten. 


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