© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Geheime Goldpolitik
Edelmetallhandel: Österreich holte Anfang Juli 90 Tonnen seiner Staatsreserven aus dem Ausland zurück / Anhaltendes Interesse an den deutschen Beständen
Elias Huber

Die Interviewfrage klang geheimnisvoll: „Immer wieder gibt es Zweifel, ob das deutsche Gold wirklich vorhanden ist. Können Sie schwören, daß es da ist?“ fragte ein n-tv-Journalist Carl-Ludwig Thiele anläßlich seines Ausscheidens aus dem Bundesbank-Vorstand. Der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete verantwortete bis 30. April unter anderem die deutschen Goldreserven. Thieles Antwort: „Ich war bei der Federal Reserve in New York und habe das Gold mit den Mitarbeitern der Bundesbank in Augenschein genommen. Laut unseren Revisionsspezialisten war alles in Ordnung. Auch das Gold, das die Bundesbank aus den USA zurückgeholt hat, war einwandfrei und entsprach den Angaben der Fed.“

Das ließ Goldexperten aufhorchen, hatte doch Thiele vor vier Jahren der FAZ gesagt, Mitarbeiter der Bundesbank hätten „in Stichproben“ die Goldbestände in New York und London überprüft – eine umfangreiche Kontrolle sieht anders aus. Anfang Juli holte nun auch Österreich 90 Tonnen seines Staatsgoldes zurück. Die Hälfte der Bestände der Oesterreichischen Nationalbank AG (OeNB) lagern somit wieder innerhalb der Alpenrepublik. Auch die Hälfte der bundesdeutschen Goldreserven lagert seit 2017 in Frankfurt am Main (JF 11/18).

Ein Rückblick auf das deutsche Gold: Spätestens mit der Finanzkrise von 2008 hatte die deutsche Öffentlichkeit ein zunehmendes Interesse an ihren Goldreserven. Im Buch „Das Gold der Deutschen“ schreibt Thiele, es seien öffentlich Zweifel geäußert worden, ob der Metallbestand vorhanden und echt sei. 2012 rügte der Bundesrechnungshof den Umgang der Bundesbank mit dem Gold – es fehle eine Inventur der Auslandsbestände, die Zentralbank vertraue lediglich auf die Angaben der ausländischen Partner. Als Reaktion entschied sich die Notenbank im gleichen Jahr für eine Transparenzoffensive. Die Hälfte des Goldes sollte in Deutschland lagern – damals waren es lediglich 1.036 Tonnen (31 Prozent), der Rest verblieb in New York, London und Paris.

Im Frühjahr 2013 kamen erstmals Barren nach Deutschland zurück – 55 Tonnen von der Fed. Weitere Heimholungen aus New York, Paris und London folgten. Zwei Jahre später veröffentlichte die Bundesbank eine 2.300seitige Liste mit den Inventarnummern der 270.000 Barren im Internet. Vor einem Jahr endete die Rückholung mit einer Verlagerung von 91 Tonnen, die in Paris verblieben waren. Von insgesamt 3.378 Tonnen sind somit 1.710 in Frankfurt (50 Prozent), 1.236 in New York (37 Prozent) und 432 in London (13 Prozent).

Doch warum ist das Gold überhaupt im Ausland?

Das Interesse am Gold blieb enorm. Bei einem Bürgerfest der Bundesbank in Frankfurt warteten Besucher bis zu zwei Stunden, um einen 12,5 Kilogramm schweren Barren in den Händen zu halten. Doch warum ist das Gold überhaupt im Ausland? Ursprünglich geschah dies während des Kalten Krieges aus Sicherheitsgründen, erklärt die Bundesbank der JUNGEN FREIHEIT. „Durch die Lagerung von Goldreserven im Ausland kann die Reservefunktion des Goldes erfüllt werden, da ein Verkauf beziehungsweise ein Umtausch in Fremdwährung schnell und effizient an den Goldhandelsplätzen London und New York gewährleistet ist.“ Gold sei eine „eiserne Reserve“ für Notzeiten, mit der die Bundesbank kurzfristig fremde Währungen beschaffen könne.

Die Notenbank dementiert Leihgeschäfte mit dem Gold in Frankfurt. Seit 2007 habe die Bundesbank kein Gold mehr verliehen. Für Peter Boehringer erscheint eine Lagerung im Ausland wenig sinnvoll. Der heutige AfD-Bundestagsabgeordnete, der 2011 die Initiative „Holt unser Gold heim!“ gründete, begrüßt die Transparenzoffensive, kritisiert aber auch das Vorgehen der Bundesbank. „In Krisenzeiten wäre es verfehlt, das Gold in Papiergeld umzutauschen“, sagt der Haushaltspolitiker. Es gebe einen weltweiten Handel mit Gold, auch in Frankfurt, deshalb sei eine Lagerung im Ausland nicht notwendig. Boehringer will nicht spekulieren, ob das Gold physisch vorhanden ist und im exklusiven Eigentum der Bundesbank. „Wir kritisieren seit Jahren, daß die Bundesbank immer nur mit Behauptungen statt mit eidesstattlichen Versicherungen arbeitet und die Beweislast bei den Fragern ablegt, damit bei den Bürgern, damit bei den eigentlichen Eigentümern des Goldes“, sagt der AfD-Haushaltspolitiker.

Die Bundesbank lege keine stichhaltigen Beweise vor wie Fotos oder Videos, die leicht zu erbringen seien, oder Gutachten von externen und vereidigten Prüfern für die Bestände im Ausland. Im Falle der Fed hätten Mitarbeiter der Bundesbank nur Stichproben durchgeführt. „Die Stichproben oder gar die Goldausstellung im Geldmuseum ersetzen keinen sauberen Audit und haben nichts mit einem ordnungsgemäßen Prüfvorgang bei einem Bilanzposten von 115 Milliarden Euro zu tun“, erklärt Boehringer. Er will die andere Hälfte des Goldes ebenfalls zurückholen, damit Deutschland keinem Lagerungsrisiko ausgesetzt sei und das Gold auf seine Qualität überprüft werde.

Dimitri Speck glaubt, daß das deutsche Gold in den Tresoren der Zentralbanken physisch vorhanden ist. „Hätten Bundesbank oder Fed große Teile der deutschen Reserven verkauft, dann wäre der Goldpreis niedriger.“ Der Experte hat das Buch „Geheime Goldpolitik“ (Finanzbuch Verlag/Palgrave Macmillan 2013) geschrieben, das auch auf englisch erschienen ist. Laut Speck verliehen oder verkauften die Notenbanken in den 1990er Jahren ihr Gold, um dessen Preis zu drücken. Heute geschehe dies über Goldfutures – einem Wertpapier, bei dem sich der Aussteller verpflichtet, Gold an einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem festen Preis zu kaufen. „Die Preisinterventionen beim Gold begannen am 5. August 1993 und lassen sich bis 2015 statistisch nachweisen. Außerdem gibt es Aussagen von Zentralbankern“, sagt Speck.

Einen möglichen Euro-Nachfolger mit Gold decken

Der Experte hat Minutenpreise des Edelmetalls seit den Achtzigern analysiert und fand heraus, daß im Mittel der Kurs immer zum gleichen Zeitpunkt des Tages stark fiel – seit dem 5. August 1993. Beobachtbar sei die statistische Anomalie bis 2015 gewesen, seither verwischten die Manipulatoren ihre Spuren. Er und andere hätten die Aufmerksamkeit auf die Vorgänge am Goldmarkt gelenkt, erklärt Speck. Vor allem private Banken drückten heute den Preis, Zentralbanken seien wenig oder gar nicht beteiligt. Futures senkten den Goldkurs und würden mögliche Käufer vom Markt treiben. Später kauften die Privatbanken die Wertpapiere wieder auf und machten einen Gewinn. Weil physisches Gold bei diesen Termingeschäften nicht involviert ist, glaubt Speck, daß das deutsche Gold tatsächlich in den Zentralbanktresoren liegt.

Ralf Flierl, Chefredakteur des Anlegermagazins Smart Investor, schließt nicht aus, daß ein Teil des Goldes nicht mehr da ist. Er verteidigt die Wichtigkeit des edlen Metalls. „Geldgeschichtlich gesehen ist Gold erst seit kurzem nicht mehr an die Währung gebunden“, sagt der Journalist. Es habe sich währungshistorisch durchgesetzt, weil es sich – neben anderen Edelmetallen – als das geeignetste Tauschmittel erwiesen habe.

Es sei nämlich unbegrenzt haltbar, habe eine hohe Wertdichte und sei leicht teilbar. Ohne Goldbindung könne sich der Bürger nicht vor Preisinflation schützen, weil Papiergeld beliebig vermehrbar sei. „Warum sollten wir unser Gold nicht heimholen? Warum kaufen die Chinesen alle Bestände vom Markt auf und lassen keine Informationen raus?“ fragt Flierl rhetorisch. „Im Falle einer Währungsreform wäre es besser, wenn das Gold in Deutschland lagert, um das neue Geld mit Gold zu decken.“





Geschichte des Bundesbankgoldes

1951

Die Bank deutscher Länder, die Vorgängerin der Bundesbank, besitzt erstmals Gold (24,5 Tonnen). Die Länder begleichen Leistungsbilanzüberschüsse im westlichen Bretton-Woods-Währungsystem (1948–1973) und im Europäischen Zahlungsraum (1950–1958) mit Goldzahlungen.

1957

Gründung der Bundesbank. Das deutsche Gold lagert in New York, London, Ottawa, Bern und Paris – offiziell wegen des Kalten Krieges. Goldbestand: 2.259 Tonnen.

1968

Höchststand bei den deutschen Goldreserven – 4.033 Tonnen. In den Folgejahren verkauft die Bundesbank einen Teil an die amerikanische Fed.

1973

Die USA kündigen einseitig das Bretton-Woods-Abkommen auf. Der Dollar ist nicht mehr an Gold gebunden und Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen bekommen kein Gold zugeschrieben. Goldbestand: 3.658 Tonnen.

1999

Die Bundesbank überschreibt 6,5 Prozent ihrer Reserven (232 Tonnen) an die neu gegründete Europäische Zentralbank. 119 Tonnen lagern in Frankfurt, der Rest ist in New York, Paris und London. Goldbestand: 3.469 Tonnen.

2002

In Frankfurt lagern mittlerweile 1.043 Tonnen.

2004

Die Bundesbank erwägt, 20 Prozent ihrer Reserven zu verkaufen – die Goldbestände schwinden in den Folgejahren aber nur leicht.

 2011

Peter Boehringer gründet die Initiative „Holt unser Gold heim“. Goldbestand: 3.396 Tonnen.

2015

Die Bundesbank holt 120 Tonnen aus New York zurück.

2017

Die Bundesbank erklärt im August die Heimholung für abgeschlossen.