© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

An einem Stand auf der Berliner Tattoo Convention am vergangenen Wochenende in der Arena Treptow sehe ich die Hinweisschilder „Termine frei“ und „Wanna do“. Letzteres sind kleinere bis mittelgroße Motive meist zu Sonderkonditionen, die der Tätowierer gern stechen würde und dafür Interessenten sucht. Das Angebot richtet sich an kurzentschlossene Messebesucher, denen die Vorlagen so gut gefallen, daß sie sich spontan unter die Nadeln begeben. In diesem Fall handelte es sich um antike Charakterköpfe, steinerne Engel und Putten, allesamt ganz zauberhaft, und auch die ebenfalls ausliegenden Arbeitsproben des Tattookünstlers machten einen passablen Eindruck. Ein verlockendes Angebot also für so manchen. Leider nicht für mich, ich ziehe weiter.


Kurz darauf lese ich von einer Forderung der CDU-Politikerin Gitta Connemann. Die Vizechefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion will junge Menschen vor übereilten Tattoos schützen und fordert ein Verbot für spontane Tätowierungen. Sie schlägt deshalb Pflichtberatungen mit zeitlichem Abstand zum Stechen vor. „Es darf nicht sein, daß eine Entscheidung, die lebenslang sichtbar sein wird, spontan, ohne Beratung und ungesichert erfolgen kann“, sagte die Juristin Connemann dem Berliner Tagesspiegel. Mit solchen Bedenkfristen könnten Spontantattoos unter Gruppendruck oder Alkohol verhindert werden. Im November will Gitta Connemann Wissenschaftler, Verbände, Ministerien, Farbenhersteller und andere Fachleute zu einem „Tattoogipfel“ einladen, um über die Risiken und Gefahren, die mit dem Tätowieren verbunden sind, zu sprechen. „Es gibt Handlungsbedarf“, meint die fürsorgliche CDU-Dame. Nun, vermutlich war Gitta Connemann (54) noch nie in einem Tattoostudio. Seriöse Tätowierer stechen nicht einfach drauflos, achten auf die Hygiene, und Wartezeiten zwischen einigen Wochen bis zu vielen Monaten sind ohnehin die Regel. Und betrunkene Kunden werden in solchen Studios wegen der alkoholbedingten Blutverdünnung auch nicht gestochen. Das passiert allenfalls in Magaluf auf der Baleareninsel Mallorca, wie die britische Fernsehserie „Tattoo Fixers on Holiday“ sehr zum Ärger der Branche vorführt. Oder in deutschen Hinterhof-Wohnzimmern. Doch wer sich als Volljähriger auf solchen Unsinn einläßt, ist selber schuld. Dagegen hilft auch kein Tattoogipfel.


„Interessen, wenn sie aggressiv werden, nennen sich Werte.“ (Aphorismus von Michael Klonovsky, gefunden auf seiner Netzseite)