© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Arno Schmidt als Verbreiter gotteslästerlicher Schriften
Restaurative Grundstimmung
(ob)

Unbestritten sei Arno Schmidt (1914–1979) „einer der ätzendsten und sprachgewaltigsten Kritiker des Zeitgeistes des Wirtschaftswunderdeutschlands“ gewesen, findet einer seiner vielen Bewunderer außerhalb der Germanistenszene, der Münchener Ministerialdirigent Bernhard Opolony (Journal der Juristischen Zeitgeschichte, 1/2018). Ein Lob, das nicht zufällig aus der Feder eines Juristen fließt. Opolony nötigt es Respekt ab, wie der einzelgängerische Selbstdenker Schmidt sich in der „restaurativen Grundstimmung der Adenauerzeit“ gegen Justiz und öffentliche Meinung behauptet habe. Ausgerechnet ein Rechtsanwalt aus der Adenauer-Stadt Köln hatte 1955 Anzeige wegen Gotteslästerung und Verbreitung unzüchtiger Schriften erstattet, weil er meinte, in der Erzählung „Seelandschaft mit Pocohontas“ fänden sich „einschlägige Stellen“. Doch erst ein Gutachten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, das seiner Prosa bescheinigte, sie könnte „später einmal“ in die Literaturgeschichte eingehen, führte 1956 zur Einstellung des Verfahrens. Das der kulturkritische Autor in den 1950ern zu Recht als persönliche Bedrohung wahrnehmen durfte. Hatte der BGH doch 1955 das erste Zuchthausurteil wegen eines politischen Delikts nach 1945 verhängt: 5 Jahre „Z“ für einen Funktionär der in Westdeutschland verbotenen Freien Deutschen Jugend. 


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