© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Potentieller Nato-Austritt
Die Türken sind schon weg
Jürgen Liminski

Erdogan, der Diktator vom Bosporus, pokert gerne. Im Moment blufft er mit dem As der Nato-Mitgliedschaft der Türkei. Die Frage aber lautet: Ist die Türkei überhaupt noch Nato-orientiert oder nicht schon Nato-Gegner? Denn wenn Ankara in Syrien gegen die mit dem Westen verbündeten Kurden vorgeht, den Feldzug mit Rußland sogar koordiniert, das Nato-Mitglied Deutschland zwingt, den Bündnis-Stützpunkt Incirlik zu verlassen und nach Jordanien auszuweichen und außerdem mit Rußland größere Waffen- und Energiegeschäfte aushandelt, dann stellt sich schon die Frage: In wessen Lager steht der Sultan eigentlich?

In Washington wächst der Realismus gegenüber der Türkei. Die Verbindlichkeit, die den Noch-Nato-Partner einst auszeichnete, ist mit Recep Tayyip Erdogan dahin. Man macht sich keine Illusionen mehr und droht sogar mit Sanktionen, falls er seine Geisel, den evangelischen Pastor Andrew Brunson, nicht freiläßt. Für die türkische Wirtschaft wäre es ein Rückschlag. Schon jetzt  steht das Land finanziell am Abgrund, OECD und IWF haben es bereits herabgestuft auf das Niveau von Bangladesch und Senegal. Der Mann, der das Amt des Staats- und Ministerpräsidenten auf sich vereint hat, aber droht aus persönlicher Macht- und Raffgier mit einem Allianzenwechsel, den er schon vollzieht. Man sollte ihn ziehen lassen.