© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Das macht die perfekte Welle
„Inside AfD“: Juristisches Tauziehen um das Buch des ehemaligen Parteimitglieds Franziska Schreiber
Christian Vollradt

Gerät ein Buch unmittelbar nach Erscheinen ins Fadenkreuz von Anwälten, kann das zweierlei Folgen haben: entweder es wird auf der Bestsellerliste nach oben katapultiert, oder aber Verlag und Autor müssen für den eigenen Rechtsbeistand tief in die Tasche greifen. Es soll auch beides möglich sein. Der als Enthüllungsbericht einer „Aussteigerin“ beworbene Titel „Inside AfD“ der früheren sächsischen Landesvorsitzenden der Jungen Alternative, Franziska Schreiber, sorgte bei Erscheinen für einiges Rauschen im sommerloch-geplagten Blätterwald. Das lag vor allem an jenen zwei der 221 Seiten, in denen von Treffen zwischen der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, die Rede ist.

Nach den Journalisten scheinen nun die Juristen an der Reihe zu sein. So bestätigte Erika Steinbach gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, sie gehe juristisch gegen die Behauptung vor, wonach sie bereits im Wahlkampf 2013 – also noch als CDU-Bundestagsabgeordnete – ihre Geldbörse für die AfD geöffnet habe. Das sei glatt gelogen. Steinbach fordert, diese Stelle im Buch müsse geschwärzt werden, außerdem soll Schreiber eine Unterlassungserklärung abgeben. 

Finanzielle Zuwendungen an die AfD dementiert auch der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner. Er wendet sich gegen den Passus, wonach zu den Spendern der AfD neben einem „Schlagersänger“ auch „ein Mann, der sich vom Himmel auf die Erde stürzte, beide aus Österreich“ gehörte. Sollte er damit gemeint sein, schrieb Baumgartner auf seiner Facebook-Seite, fordert er eine Richtigstellung. Andernfalls werde sich seine Rechtsabteilung in den nächsten Tagen darum kümmern. Denn: „Ich habe in der Vergangenheit nicht für die AfD gespendet und werde das auch in Zukunft nicht tun!“ 

 Auch der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke sowie der Publizist und Verleger Götz Kubitschek gehen gegen Schreiber und den Europa-Verlag vor. Stein des Anstoßes: die Behauptung, Höcke und Kubitschek hätten gemeinsam die Reden von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels analysiert und daraus „Höcke-Reden mit modifizierten Versatzstücken“ abgeleitet. Dies, so Schreiber, habe ihr Dimitrios Kisoudis erzählt, den sie beim EU-Abgeordneten Marcus Pretzell getroffen hatte. 

„Es ging nicht um eine Beratungsleistung“

Der Publizist Kisoudis sagte dazu der jungen freiheit: „Ich habe solche Äußerungen niemals getätigt und gehe gegen Verlag und Autorin vor. Es verletzt meine Persönlichkeitsrechte und meinen Ruf, wenn mir solche haarsträubenden Lügenmärchen in den Mund gelegt werden.“ Schreibers Falschbehauptung müsse schleunigst aus der Welt geschafft werden. Ex-AfD-Mann Pretzell nennt Schreibers Behauptung „grottigen Blödsinn“. Auf Anfrage dieser Zeitung bei Frauke Petry, ob auch sie rechtliche Schritte gegen das Schreiber-Buch einleiten werde, verwies ihr Sprecher auf das, was sie der Welt mitgeteilt hatte. Petry hatte – damals noch als AfD-Vorsitzende – auf Anfrage des Spiegels bestritten, daß es ein Treffen oder Gespräch zwischen ihr und dem Verfassungsschutz-Präsidenten gegeben habe. Daran hielt sie zunächst fest und sagte der Bild am Sonntag: „Franziska Schreibers Behauptung ist frei erfunden.“ Dann präzisierte die fraktionslose Abgeordnete ihre Aussage: „Franziska Schreibers Behauptung“ und „frei erfunden“ beziehe sich auf den Passus, in dem es um ein angeblich enges Vertrauensverhältnis der beiden ging und sie (Petry) Schreiber angeblich „über Gespräche mit Herrn Maaßen berichtet“ habe. Damit rückte Petry jedoch von ihrem früheren Dementi bezüglich eines Treffens mit Maaßen ab. 

Für den Verfassungsschutz-Chef ist das Ganze sicherlich am ärgerlichsten. Das Hin und Her – hat er sich nun getroffen oder nicht, und wenn ja, worum ging es in den Gesprächen – wurde erst mit einer offiziellen Stellungnahme des Bundesinnenministeriums beendet. Darin hieß es, Maaßen habe gegenüber dem zuständigen Staatssekretär erläutert, daß er sich vor etwa drei Jahren mit Petry getroffen habe. Aber, so stellte die Ministeriumssprecherin in der Regierungspressekonferenz klar: „Es ging nicht um Ratschläge hinsichtlich des Umgangs mit Personen oder Strömungen in Parteien, sondern es geht in den Gesprächen regelmäßig um Fragen der Gefährdungseinschätzung und einen allgemeinen Austausch, aber nicht um eine Beratungsleistung.“ 

So mancher, ob in den Medien oder in der Politik, nutzt nun diese vermeintliche Enthüllung, dem konservativen Verfassungsschutz-Chef am Zeug zu flicken. Es ist schließlich kein Geheimnis, daß Maaßen zu den Kritikern der Merkelschen Flüchtlingspolitik des Herbstes 2015 gehört. Wie Robin Alexander in seinem Buch „Die Getriebenen“ darstellte, machten die Spitzen der Sicherheitsdienste in einem beispiellosen Vorgang ihrem Unmut damals Luft, indem sie eine Art Gegenentwurf zum Vorgehen der Kanzlerin veröffentlichten. Auch wenn dieser 10-Punkte-Plan Ende September 2015 in der Welt am Sonntag unter dem Namen vom ehemaligen Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, erschien, war klar, daß auch Maaßen sowie der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, dahinterstanden. „Zwischen dem Kanzleramt und den Sicherheitsdiensten herrscht daraufhin Eiszeit“, so Alexander. 

Der Flurfunk im politischen Berlin besagte, daß Maaßen und Romann fest davon ausgingen, nach der Bundestagswahl 2017 im Falle einer erneuten Kanzlerschaft Merkels entlassen zu werden – sollte der neue Innenminister nicht von der CSU gestellt werden. Möglich, daß im Kanzleramt klammheimliche Freude herrscht, wenn Linke, Grüne und FDP den obersten Verfassungsschützer nun im Innenausschuß zu seinen Treffen befragen wollen. 

Franziska Schreiber: Inside AfD. Der Bericht einer Aussteigerin. Europa-Verlag, 2018, gebunden, 221 Seiten, 18 Euro