© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Ländersache: Sachsen
Nicht allein auf Artus verlassen
Paul Leonhard

Erfolgreich setzt die sächsische Justiz seit einigen Jahren auf der Suche nach illegalen Mobiltelefonen in den Gefängnissen des Freistaates Artus ein. Der Belgische Schäfterhund ist spezialisiert darauf, den Eigengeruch der von den Handyherstellern für die Plastikhüllen verwendeten Weichmacher zu riechen und wird über die Grenzen Sachsens hinaus angefordert. Allein ist der Erfolg kein hundertprozentiger, denn die Häftlinge sind gewitzt und geübt darin, immer neue Verstecke zu finden. Zudem werden die Telefone immer kleiner.

Von diesem Katz-und-Maus-Spiel hat Justizminister Sebastian Gemkow die Nase voll. Er verlangt Funkstille im Knast. Denn Handys gelten als Sicherheitsrisiko. Zu groß ist die Gefahr, daß Häftlinge illegale Geschäfte organisieren, terrorverdächtige Islamisten so Kontakt zu ihren Gefolgsleuten halten, daß Verdächtige Zeugen beeinflussen oder durch das Verleihen des Handys sich etwas dazuverdienen. 454 illegale Mobiltelefone wurden im vergangenen Jahr nach Anhaben von Ministeriumssprecher Jörg Herold in den sächsischen Gefängnissen beschlagnahmt, in den ersten vier Monaten 2018 waren es allein in der JVA Zeithain, wo Handyspürhund Artus stationiert ist, 32.

Wenn Gemkow es schon nicht verhindern kann, daß Handys in die Haftanstalten geschmuggelt werden, dann will der Christdemokrat wenigstens dafür sorgen, daß sie nicht zum Telefonieren genutzt werden können. Gemkow setzt auf Störsender. Fürs erste sollen sie ab 2019 in den Untersuchungshaftanstalten in Dresden und Leipzig probeweise eingesetzt werden. 2,7 Millionen Euro ist das dem Minister wert. So könnten zukünftig Verabredungen zu Straftaten wie Fluchtversuche und Drogenhandel sowie die Beeinflussung von Gerichtsverfahren aus den Justizvollzugsanstalten heraus erschwert werden, zeigt sich Martin Modschiedler, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, gegenüber der Leipziger Volkszeitung überzeugt.

Sachsen macht sich dabei Erfahrungen aus Berlin zunutze, wo in einer U-Haftanstalt für Jugendliche bereits Mobilfunkblocker eingesetzt werden und ein weiterer für Moabit vorgesehen ist. Allerdings ist es hier die Justizverwaltung, die der neuen Technik ob der hohen Kosten – 2,3 Millionen Euro pro Anstalt – und des mäßigen Erfolgs eher skeptisch gegenübersteht. Mitleid mit den „armen Häftlingen“ kommt prompt. Störsender kommen „nicht überall gut an“, zitiert der Mitteldeutsche Rundfunk die grüne Landtagsabgeordnete Katja Meier. Die ist der festen Überzeugung, daß die meisten illegalen Handys der Alltagskommunikation dienen und fordert daher private Telefone in den Hafträumen.

Sachsens Justizminister will es aber nicht bei den Handy-Blockern belassen. Er hat ein ganzes Investitionspaket geschnürt, mit dem die Gefängnisse sicherer werden sollen. Dazu zählen Metalldetektoren, Endoskope zur Durchleuchtung von Hohlräumen, Paketröntgenanlagen. Auch sollen die Wärter neue Westen und Helme erhalten. Wie wichtig das ist, zeigten Vorfälle vom vergangenen Oktober, als sowohl im westsächsischen Zwickau als auch im ostsächsischen Bautzen Wärter von Häftlingen angegriffen und dabei zum Teil schwer verletzt worden waren.