© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Streit um Pastor entzweit Verbündete
USA-Türkei: Ankara sieht den presbyterianischen US-Pfarrer Andrew Brunson als „Terror“-Gehilfen / Washington kritisiert das und setzt auf Sanktionen
Curd-Torsten Weick

Am 26. Juli ließ Vizepräsident Mike Pence die Katze aus dem Sack. Er habe mit dem in der Türkei inhaftierten Pastor Andrew Brunson gesprochen und im Anschluß die türkische Führung vor „erheblichen Sanktionen“ gewarnt, falls sie den Kirchenführer nicht freilasse, twitterte der Republikaner. Brunson sei unschuldig. Zudem gebe es keine glaubwürdigen Beweise gegen ihn. Die gesamte US-Verwaltung habe unermüdlich gearbeitet, um Brunsons Freilassung zu sichern. Die Türkei habe den Pastor zwar aus dem Gefängnis entlassen, , so Pence weiter, aber „nur um ihn unter Hausarrest zu stellen“. Dies sei ein „willkommener erster Schritt“, aber dieser sei „nicht gut genug“.

Brunson ist US-Staatsbürger. Er lebt seit 23 Jahren in der Türkei und ist Pastor der Dirilis Kilisesi (Auferstehungskirche), einer kleinen Presbyterianischen Gemeinde in Izmir. Er wurde im Oktober 2016 festgenommen. Laut Anklage wird ihm „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation“ sowie „politische oder militärische Spionage“ für die Gülen-Bewegung vorgeworfen. Diese macht Ankara für den gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 verantwortlich. 

Präsident Donald Trump sprang seinem Vize bei, würdigte Brunson als „großen Christen, Familienmenschen und wunderbaren Menschen“. Dieser „unschuldige Mann des Glaubens“ müsse „sofort freigelassen werden!“ Falls die türkische Führung  sich weigere, müsse sie mit „hohen Sanktionen“ rechnen. 

Ankara antwortete postwendend. Niemand könne der Türkei etwas diktieren. „Wir werden niemals Drohungen von irgendjemandem tolerieren. Rechtsstaatlichkeit ist für alle da – keine Ausnahme“, twitterte der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu. 

Ergebnis des Schlagabtauschs: Trump verkündete am 10. August, eine Verdopplung der Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet zu haben. Inmitten der Währungskrise in der Türkei würden nun für Aluminium-Einfuhren 20 Prozent Zoll fällig, für Stahlimporte 50 Prozent. „Unsere Beziehungen zur Türkei sind in dieser Zeit nicht gut!“ resümierte Trump. 

Nicht nur wegen des Brunson-Streits oder der Nichtauslieferung Fethullah Gülens aus den USA in die Türkei, sondern auch Ankaras Kauf von russischen  S400-Raketen stellt das bilaterale Verhältnis der Nato-Partner auf die Probe. Denn zusätzlich zu den Strafzöllen und der Einfrierung der Konten von Innenminister Süleyman Soylu und Justizminister Abdühlamit Gül hatte der US-Kongreß entschieden, die Lieferung von F35-Kampfflugzeugen für 90 Tage auszusetzen.

Angesichts des zunehmenden Absturzes der Lira nahm Präsident Recep T. Erdogan den Ball gerne auf. Der Pastor habe nun mal Verbindungen zu der „Terrororganisation Gülens“ und zu der „separatistischen Terrororganisation PKK“. Washington könne den Gerichtsprozeß gegen diesen Pastor nicht vertragen und habe skandalöse Sanktionen beschlossen, zitiert der staatliche Sender TRT den Präsidenten. „Wer die strategische Partnerschaft mit der Türkei für die Partnerschaft mit Terrororganisationen aufopfert, werde von der Türkei ‘Lebe wohl’ als Antwort erhalten.“ In einem Gastbeitrag für die New York Times präzisierte er seine Haltung: „Wenn die Einseitigkeit und Respektlosigkeit der USA sich nicht wendet, wird die Türkei nach neuen Freunden und Verbündeten suchen.“