© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Abgesang auf das Papier
Die „taz“ plant das Ende ihrer Printausgabe / Online-Angebote bringen gedruckte Zeitungen in Bedrängnis
Ronald Berthold

Die Ankündigung der taz, demnächst ihre gedruckte Ausgabe vom Markt zu nehmen, hat in der Medien-Branche für helle Aufregung gesorgt. Noch mehr Raunen verursachte die Begründung von taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch: „Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende.“ Der Mitbegründer des Blattes bereitet seine Genossenschaft darauf vor, daß die Zeitung nur noch online erscheint: „Der Journalismus lebt im Netz weiter.“

Bei den einbrechenden Auflagenzahlen und rapide sinkenden Werbeeinnahmen ist dennoch fraglich, ob dies für das alternative Blatt eine Lösung sein könnte. Zuletzt verkaufte die Zeitung am Kiosk und per Abonnement nur noch 42.802 Exemplare pro Tag, Tendenz fallend. Doch auch im digitalen Geschäft hinkt die taz meilenweit hinterher. Beim aussagekräftigen Alexa-Ranking für die Beliebtheit von Webseiten liegt die des linksalternativen Mediums in Deutschland nur auf Platz 500.

Auch „Der Spiegel“ setzt auf mehr Digitalisierung

Dessen Machtstellung ergibt sich allein daraus, daß sie für andere Journalisten die Themen und den Spin setzt. Denn in allen Redaktionen gehört das Blatt zur Pflichtlektüre, und viele Kollegen schauen, wie die taz das Tagesgeschehen aufbereitet und orientieren sich in ihrer eigenen Berichterstattung daran. Doch gilt die Misere grundsätzlich? Die gedruckten Zeitungen haben allesamt mit zum Teil deutlich sinkenden Auflagen zu kämpfen. Ursache ist nur teilweise die Abwanderung der Leser ins Internet. Auch die Glaubwürdigkeitskrise und politisch einseitige Einordnungen machen den Blättern zu schaffen. 

Erstaunlich ist, daß Plattformen der Gegenöffentlichkeit wie journalistenwatch.com und pi-news.net sich im Netz eine viel größere Basis aufgebaut haben als etablierte Medien. So rangiert Jouwatch, das täglich knapp 40 aktuelle Beiträge veröffentlicht, beim von Amazon betriebenen Reichweitentool Alexa auf Rang 264, PI auf 232 und die Epoch Times auf 234.

Damit liegen alle drei alternativen Medien nicht nur weit vor der taz, sondern auch vor anderen namhaften etablierten Konkurrenten wie Kölner Stadt-Anzeiger (516), Frankfurter Rundschau (616), Berliner Zeitung (664). Sogar die Klatsch-Magazine Bunte (422) und Gala (671) können es digital nicht mit den politisch unkorrekten Internetportalen aufnehmen. Auch RTL (328) und Sat.1 (794) kommen mit ihren Webseiten nicht an deren Beliebtheit heran.

Das zeigt: Allein mit Internetportalen, also ohne gedrucktes Pendant, können Journalisten erfolgreich sein. Voraussetzung scheint allerdings zu sein, den Geschmack einer vom Einheitsbrei genervten Leserschaft zu treffen.

Doch zurück zur taz: Geschäftsführer Ruch bereitet die in einer Genossenschaft zusammengeschlossenen Teilhaber des Blattes so deutlich wie nie zuvor darauf vor, daß „der tägliche Druck und Vertrieb der Papier-taz bald nicht mehr möglich sein könnte“. Wie bald? Da das Konzept den Titel „Szenario 2022“ trägt, könnte es in vier Jahren so weit sein. Allerdings ist die wirtschaftliche Lage des Blattes so prekär, daß es keine Überraschung wäre, wenn das schneller passieren würde. Vor allem der Appell an die Leser, „neue Gewohnheiten entwickeln zu müssen, wenn die taz unter der Woche nicht mehr morgens im Briefkasten, sondern als elektronisches Dokument im E-Paper oder im Internet jederzeit erreichbar ist“, läßt darauf schließen, daß jetzt alles sehr rasch gehen könnte.

Allerdings scheint ausgerechnet die sich progressiv fühlende Zeitung überhaupt nicht auf die Digitalisierung vorbereitet. Sonst würde sie im Internet nicht den politisch unkorrekten Seiten so deutlich hinterherhinken. Fraglich erscheint, ob die taz bei reiner Online-Erscheinungsweise nicht auch personell einsparen müßte.

Indes treibt auch der Spiegel die Digitalisierung voran und stellt unter dem Eindruck seiner einbrechenden Druckauflage die Weichen für eine Zusammenlegung der Online- und Printredaktion. Der erst kürzlich gestartete Versuch, mit der nur im Netz erscheinenden Tageszeitung Spiegel Daily ein „zusätzliches Standbein“ bei den Bezahl-Services zu schaffen, wie Produktchef Stefan Plöchinger hoffte, ist allerdings krachend gescheitert. Mit hohen Verlusten und wegen fehlender Akzeptanz mußte der Spiegel seine tägliche Online-Ausgabe nach nur gut einem Jahr wieder vom Markt nehmen. Dies könnte ein Indikator dafür sein, wie schwer es kostenpflichtige Abos im Netz haben. Auch für die taz wird sich eine Konzentration auf den Online-Journalismus nur dann rechnen, wenn sie genug Leser findet, die bereit sein werden, dafür zu bezahlen.