© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Todespiloten als brisante Zeugen
Die Flugschau-Katastrophe von Ramstein 1988
Thomas Schäfer

Am 28. August 1988 fand auf der US-Air Base Ramstein unweit von Kaiserslautern eine militärische Flugschau mit fast 350.000 Besuchern statt, welche um 15.44 Uhr auf katastrophale Weise endete. Ursache hierfür war ein besonders spektakuläres Manöver der aus zehn Aermacchi-MB-339-Maschinen (Pony 1 bis 10) bestehenden italienischen Kunstflugstaffel Frecce Tricolori namens „Durchstoßenes Herz“, bei dem die Maschinen in geringem Abstand aneinander vorbeirasen sollten. Diesmal nämlich kollidierte die von Oberstleutnant Ivo Nutarelli gesteuerte Pony 10 mit Pony 1 und 2 von Oberstleutnant Mario Naldini und Hauptmann Giorgio Alessio, wobei alle drei Piloten ums Leben kamen. 

Doch damit nicht genug: Während zwei der Flugzeuge jenseits des Zuschauerbereiches am Boden zerschellten, raste Nutarellis Maschine direkt ins Publikum und zerbarst dort in einer Wolke aus Metallsplittern und 800 Litern aufflammendem Kerosin. Hierdurch wurden 34 Menschen an Ort und Stelle getötet, weitere 33 starben später an ihren schweren Verbrennungen – der letzte der 70 Todesfälle infolge des Unglücks datierte auf den 3. Oktober 1988. Dazu gab es etwa 1.000 Verletzte.

Bei der Versorgung der Opfer ereigneten sich zahlreiche Pannen, für die vor allem das US-Militär verantwortlich zeichnete. Dessen Vorschriften sahen damals vor, Verletzte so schnell wie möglich unbehandelt in das nächstgelegene Krankenhaus zu transportieren, was mehrere Menschen das Leben kostete, weil man sie zum Teil in achtzig Kilometer entfernt liegende Einrichtungen brachte. Des weiteren wurden deutsche Rettungskräfte nicht sofort auf den Flugplatz gelassen oder gar nicht erst alarmiert.

Auslöser der Katastrophe soll ein zu enger Looping von Pony 10 gewesen sein, doch das wollte der Bruder des Unglückspiloten Nutarelli keinesfalls akzeptieren. Er vermutete einen Mordanschlag durch Manipulation an der Steuerung der Maschine. Als Motiv hierfür nannte Giancarlo Nutarelli den Umstand, daß zwei der in Ramstein ums Leben gekommenen italienischen Piloten Zeugen im Falle des mysteriösen Flugzeugabsturzes vom 27. Juni 1980 nahe der Insel Ustica gewesen seien und deshalb in der Woche nach der Show vor einem Untersuchungsausschuß in der Heimat hätten aussagen müssen. Das Gremium versuchte damals zu klären, warum die Douglas DC-9 auf dem Itavia-Flug 870 ins Tyrrhenische Meer gestürzt war, wobei alle 81 Insassen starben. Dabei deuteten viele Indizien auf einen versehentlichen und später vertuschten Abschuß durch Nato-Kampfflugzeuge hin.